© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/15 / 28. August 2015

Rausschmiß mit Ansage
Frankreich: Nach einigen Monaten zieht FN-Vorsitzende Marine Le Pen die Reißleine und wirft ihren Vater und Parteigründer Jean-Marie Le Pen aus der Partei
Katharina Puhst

Voller Empörung brach es aus Jean-Marie Le Pen hervor: „Es schickt sich nicht, seinen Vater zu töten. Also hat sie es nicht direkt gemacht, sondern hat ihn durch andere töten lassen, durch Personen, die die Komödie gespielt haben.“ Kurz zuvor hatte das Exekutivkomitee des Front National in Abwesenheit der Tochter und FN-Parteichefin Marine Le Pen mit vier zu zwei Stimmen für den Parteiausschluß des 87jährigen gestimmt. 

Der Parteigründer schäumte, geißelte die vier Parteimitglieder als Marionetten, an deren Fäden seine Tochter ziehe, und    sprach von einer regelrechten Hetzjagd gegen alle unbotmäßigen FN-Mitglieder, die nicht ihrer Meinung seien.

Doch das Tischtuch zwischen dem Front-National-Gründer Jean-Marie und seiner Tochter, die ihm am 16. Januar 2011 als Parteivorsitzende folgte, ist seit langem zerschnitten. Seit Jahren schwelte der Konflikt zwischen beiden. Den Grund für die Dissonanzen bildete die Politik Marines, die darauf abzielt, den FN auch für bürgerlich-konservative Wähler attraktiv zu machen. Da störten vor allem die historischen Einschätzungen des Seniors.   

Im April eskalierte die Auseinandersetzung. Im Gespräch mit der rechten Zeitschrift Rivarol äußerte sich Jean-Marie Le Pen nicht nur abfällig gegenüber Einwanderern und nannte explizit den  sozialistischen französischen Premierminister Manuel Valls. Darüber hinaus verteidigte er das Weltbild des Marschall Pétain, der von 1940 bis 1944 Staatschef des mit dem Deutschen Reich kollaborierenden Vichy-Frankreichs war und für die Werte „Arbeit, Familie, Vaterland“ statt „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ stand. 

Kurz zuvor hatte der Ehrenvorsitzende des FN bereits in einem Fernsehinterview seine Bewertung des Holocaust als ein „Detail der Geschichte des Zweiten Weltkriegs“ wiederholt. Eine Aussage, für die er 1991 rechtskräftig verurteilt wurde (JF 17/15).

Marine Le Pen reagierte sofort, wertete die Äußerungen ihres Vaters als „politischen Selbstmord“ und verkündete, den damals 86jährigen aus allen politischen Ämtern drängen zu wollen. 

Auch vier Monate später wies Marine Le Pen die Marionettenspiel- und Vatermordvorwürfe zurück und versicherte, alles sei nur im Interesse der Partei geschehen – der Ausschluß ihres Vaters nur eine „logische Schlußfolgerung“ seiner vielen Fehler. 

„Ich bin der Front National“ 

Dem widersprach FN-Urgestein Bruno Gollnisch und deklarierte den Rauswurf als „Undankbarkeit von absoluter Unglaublichkeit“. Der Europaabgeordnete des FN sieht nunmehr den Sockel der Partei schwanken. Ohne Fundament, ohne Verbundenheit, die für den FN bislang maßgebend waren, sei die Zukunft der Partei ungewiß.  Auch Jean-Marie Le Pen zeigte sich kämpferisch. Kurz nach dem Entscheid stellte er einen Antrag auf Aufhebung des Kommissionsbeschlusses und erklärte: „Ich bin der Front National, ich bin im Front National zu Hause.“ 

Doch eine aktuelle Umfrage des französischen Instituts für Meinungsforschung ifop bestätigt eher den Kurs Marine Le Pens. Demzufolge begrüßen 53 Prozent der Parteimitglieder den Ausschluß des Parteigründers, 25 Prozent zeigen sich gleichgültig und 22 Prozent lehnen ihn ab.