© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/15 / 21. August 2015

Blick in die Medien
Aufessen statt fotografieren
Tobias Dahlbrügge

Für die Abmahnindustrie ist das Urheberrecht wie ein Schweizer Taschenmesser. Aus dem Schutz schöpferischer Leistungen ist ein Werkzeug zur Regulierung der Informationsfreiheit geworden. 

Nun haben sich Juristen etwas Neues ausgedacht: Das Finanzblatt warnt vor der Veröffentlichung von Essensbildern. Das Fotografieren exotischer Gerichte oder exklusiver Menüs im feinen Restaurant ist ein neuer Volkssport – schnell mal auf Facebook und Co. damit angeben, was einem soeben serviert wurde. „Foodporn“ – Essens-Pornographie nennt sich das Genre in den einschlägigen sozialen Netzwerken.

Genau das kann Schriftwechsel mit Abmahnspezialisten einbringen. Denn – so absurd es klingt – der Koch ist der Urheber seines Werkes und damit Inhaber der Bildrechte. Das gilt nicht für die Currywurst, aber möglicherweise für die dekorierten Kreationen der Sterneküche.

„Bitte das Essen nicht instagrammen“, mahnen erste Hinweisschilder in Luxusrestaurants. 

Der Bundesgerichtshof hat 2013 den Urheberschutz ausgeweitet und damit die „Schöpfungshöhe abgesenkt“, wie eine Wirtschaftskanzlei mitteilte. Kernpunkt: Es gibt keine Ausnahmen mehr für nichtkommerzielle Fotos!

„Bitte das Essen nicht instagrammen“, mahnen erste Hinweisschilder in Luxusrestaurants. Problem: Weil der Streitwert in Urheberrechtsfragen meist hoch angesetzt wird, kann schon die außergerichtliche Geltendmachung Kosten von einigen hundert Euro verursachen.

Richter können durchaus geneigt sein, bei Streitfragen, die das „Neuland Internet“ betreffen, zugunsten der Köche zu entscheiden, besonders wenn dem Bild ein abwertender Kommentar beigestellt wird.

Daß der Gast sein Essen schließlich bezahlt hat, interessiert die Juristen nicht. Hauptsache, wir dürfen unser Gericht überhaupt noch aufessen, denn die Zerstörung des Kunstwerkes durch Messer und Gabel dürfte eigentlich eine noch gröbere Verletzung des „Urheberrechtes“ sein. Wer auf der sicheren Seite sein will, bestellt künftig nur noch Pizza Margherita.