© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/15 / 21. August 2015

IT-Branche mit Babypause, Elternzeit, familienfreundlicher Arbeitszeit
Es geht auch ohne Staat
Ronald Gläser

Die gute Nachricht vorweg: Im Silicon Valley sorgen sich Firmenchefs stärker als bislang um ihre Mitarbeiter und deren Angehörige. Das gilt nicht zuletzt für die Familiengründungsphase. Eine Reihe von amerikanischen IT-Firmen hat in den vergangenen Wochen ihre Personalpolitik überarbeitet. Der Internet-TV-Sender Netflix erlaubt Müttern oder Vätern, ein Jahr bezahlten Erziehungsurlaub zu nehmen und eine Verringerung ihrer Arbeitszeit bei der Berufsrückkehr. Der Privatunterkunftvermittler AirBnB  gewährt 22 Wochen bezahlten Urlaub, inklusive Schwangerschaftsurlaub – Adobe 26 Wochen, Microsoft 20 Wochen. Auch klassische Firmen wie die Fluggesellschaft Virgin Islands haben neue Wohltaten für schwangere Frauen eingeführt.

In den USA gibt es statt Kinder- und Elterngeld nur den Child Tax Credit und statt zwangsfinanzierter Kindergärten die nur Vorschulpflicht ab fünf. Gesetzlich vorgesehen sind lediglich zwölf Wochen unbezahlter Mutterschaftsurlaub. Aber das macht nichts, weil Firmen dazu übergehen, ihren Mitarbeitern freiwillig solche Leistungen anzubieten. Der Arbeitsrechtler Matthew Kirby aus Memphis meint, „in den letzten zwanzig Jahren ist es immer wahrscheinlicher geworden, daß Arbeitgeber zumindest irgend etwas anbieten“. Dieser Trend, so Kirby, werde sich fortsetzen. Langsam, aber sicher.

Es geht also auch ohne den Staat. Währenddessen gibt es in allen anderen westlichen Industrienationen diverse staatliche Leistungen nach dem Gießkannenprinzip, die den Begünstigten durch eine höhere Steuerquote hinterrücks gleich wieder abgeknöpft werden. (Von den niedrigeren Geburtenraten ganz zu schweigen.) 

Die US-Firmen machen das nicht aus Nächstenliebe, sondern aus Profitstreben. Sie wollen die Mitarbeiter halten oder gewinnen, die sie sonst an Branchenriesen wie Facebook oder Google verlieren, die ihrem Personal schon länger solche Auszeiten gewähren. So etwas funktioniert natürlich nur, wenn auf dem Arbeitsmarkt das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage stimmt.  Wenn die Arbeitgeber sich Mühe geben müssen. Bei uns wird das Angebot an Arbeitskraft jedoch künstlich vom Staat ausgeweitet: Frauen sollen arbeiten, ausländische Arbeitskräfte werden in großer Zahl ins Land geholt. Dadurch haben Arbeitnehmer schlechte Karten – und werden, weil sie ja auch Stimmvieh sind, zwangsweise mit staatlichen Ersatzleistungen abgespeist.

Es könnte so einfach sein. In Deutschland sind sich Arbeitgeber und -nehmer einig: Familienfreundlichkeit hat einen hohen Stellenwert bei Arbeitnehmern. Das sagten 86 Prozent aller Arbeitgeber in einer Umfrage der Bundesregierung 2013. Und für sage und schreibe  90 Prozent aller Mitarbeiter sind familienfreundliche Arbeitszeitregelungen wichtig oder gar wichtiger als das Gehalt. Mit Sicherheit würden beide Seiten auch so ganz ohne staatliche Eingriffe eine Einigung erzielen. Wenn wir sie nur ließen.