© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/15 / 21. August 2015

Katja Schneidt. Die Autorin fordert, Asylkritiker nicht per se als „Nazis“ abzustempeln
Stimme der Vernunft
Elena Hickman

Katja Schneidt sieht sich nicht als Asylkritikerin, auch wenn manche sie dafür halten. Vielmehr kämpft die Schriftstellerin dafür, in der Debatte mehr Schattierungen zuzulassen: „Daß es nur zwei Sorten Menschen geben soll, nämlich die Guten und die Bösen ... Dagegen wehre ich mich!“, schimpft sie im Interview mit dem Deutschlandfunk.

Es erschreckt die blonde Frau mit den strahlend blauen Augen, daß die Menschen ihre Fähigkeit zur Differenzierung scheinbar verloren haben. „Nicht jeder, der Ängste äußert oder sich Sorgen über die Zukunft Deutschlands macht, ist gleich ein Nazi.“ Und nicht jeder, der „sich in der Flüchtlingshilfe engagiert“ sei deshalb ein Gutmensch.

Für Schneidt ist es eine „Menschenpflicht“, Asyl zu gewähren – vorausgesetzt allerdings, es werde „so gehandhabt, wie es gedacht ist“. Bedrohten Menschen aus Krisengebieten solle geholfen werden, andererseits so kritisiert Schneidt: „Es dauert immer noch fünf, sechs Monate, bis Flüchtlinge, bei denen ganz klar ist, daß sie keine sind, wieder in ihre Heimatländer abgeschoben werden.“

Allerdings zerpflückt die 44jährige Hessin, Mutter von zwei Kindern, die früher Berufskraftfahrerin werden wollte, nicht nur die Politik der Bundesregierung: Zuletzt legte sie sich mit dem Schauspieler Til Schweiger an, weil der auf Facebook – teilweise pöbelnde – Kritiker seiner Flüchtlingshilfe rüde anging und ihnen „sehr rechtes Gedankengut“ unterstellte.

Das wollte die streitbare Schneidt nicht so stehenlassen und antwortete Schweiger ausführlich mit einem Facebook-Eintrag, der inzwischen über 42.000mal geteilt wurde. Auch sie verurteile Fremdenhaß, ein Großteil der Deutschen aber sei sauer, weil sie sich von der Regierung mit ihren Ängsten im Stich gelassen fühlten. Schweiger dürfe seine Anhänger nicht dafür verurteilen, daß diese ihre Bedenken oder Ängste äußerten.

Dabei hat Katja Schneidt auf die harte Tour lernen müssen, selbst nicht pauschal zu richten. 2011 schrieb sie den Bestseller „Gefangen in Deutschland“ über ihr Leben mit ihrem gewalttätigen türkischen Freund. Was als Jugendliebe begann, wurde bald zum Alptraum. Schneidts Freund hielt sie jahrelang gefangen, schlug sie immer wieder krankenhausreif und drohte sogar damit, sie umzubringen. Ihr gelang die Flucht, seitdem steht sie unter Personenschutz. 

Allerdings betont Katja Schneidt immer wieder, ihre Gewalterfahrung habe nichts mit dem Islam zu tun, sondern mit der Tradition in der Familie: „Ich habe schnell feststellen müssen, daß in dieser Familie Gewalt ein großes Thema war“, sagt sie.

Für Schneidt wäre es leicht gewesen, danach alle Türken und Moslems in einen Topf zu werfen. Doch sie schafft es, zu differenzieren – eine Fähigkeit, die vielen Deutschen leider verlorengegangen ist.