© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/15 / 14. August 2015

Lesereinspruch

Desinteresse

Zu: „Und die Meere rauschen ...“ von Karl Feldmeyer (JF 31-32/15)

Was über das nördliche Ostpreußen berichtet wird, trifft alles zu, aber nicht das Fazit: „Die deutsche Kultur in Nord-Ostpreußen ist gänzlich vergangen.“ Ein Schnelldurchgang reicht nicht, um tiefer in die verschiedenen Schichten einzudringen. Zwischen der polnischen und der russischen Haltung besteht ein grundsätzlicher Unterschied: Die Polen betrachten Ostdeutschland als das wiedergewonnene, urslawische Westgebiet. 

Dagegen ist das nördliche Ostpreußen für die Russen eine Kriegsbeute. Das hat für die Haltung zur deutschen Kultur tiefgreifende Konsequenzen. Restaurierung ist für die Polen häufig ein Aneignungsakt, für die Russen hingegen die Wiederherstellung deutscher Kultur. Die im Königsberger Gebiet angesiedelten mehr als vierzig Ethnien können nicht im traditionslosen Raum sowjetrussischer Prägung existieren, sondern orientieren sich bei ihrer Identitätssuche an der deutschen Vergangenheit, die zunehmend Bedeutung gewinnt. Zudem bekundeten russische Intellektuelle wiederholt, daß ihnen das deutsche Desinteresse an den Kulturgütern Ostpreußens völlig unbegreiflich sei.

Dr. Walter T. Rix, Noer-Lindhöft