© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/15 / 07. August 2015

Kritik an Wirtschaftswissenschaft: Weltfinanzkrise theoretisch nicht vorgesehen
Der Autismus der Ökonomen
(wm)

Wie die meisten ihrer Mitbürger, so versteht auch die promovierte Physikerin Angela Merkel vom großen Roulette der internationalen Finanzmärkte eher wenig. Die Bundeskanzlerin verläßt sich daher auf wissenschaftlich fundierte Expertise. Und wurde verlassen, wie sie 2014 gegenüber den in Lindau versammelten Nobelpreisträgern der Wirtschaftswissenschaften klagte. „Ganz vorsichtig“ teilte sie dem „gelehrten Kreis“ mit, daß seit 2008, als die nicht erkannte US-Hypothekenkrise eskalierte, ihr Vertrauen in die Zuverlässigkeit ökonomischer Prognosen erschüttert sei. Arne Heise, Volkswirtschaftslehrer in Hamburg, wundern solche Bekenntnisse nicht (Forschung&Lehre, 5/2015). Denn schon 2000 hätten Studenten der Pariser Sorbonne gegen die „Selbstbezüglichkeit und Weltfremdheit“ einer Disziplin protestiert, deren „formal-mathematischer Deduktivismus“, der das fast unangefochten herrschende „dynamisch-stochastische Gleichgewichtsmodell“ kennzeichne, sich geradezu autistisch der Realität verweigere. Die Weltfinanzkrise offenbarte dann den krassen Kontrast zwischen der „Macht des Faktischen“ und den Stabilitäts- und Selbstregulierungsversprechen ökonomischer Theorie. Für Heise ist es daher höchste Zeit, die monopragmatische Verengung des Faches, die zu „einseitiger Politikberatung“ führe, zugunsten eines neuen Methodenpluralismus aufzugeben. 


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