© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/15 / 07. August 2015

DVD: Late Phases
Vom Mensch zum Werwolf
Werner Olles

Bereits in der Mythologie des antiken Griechenland taucht die Verwandlung eines Menschen in einen Wolf als Strafe der Götter auf. Lykaon, von dessen Name sich der Begriff Lycanthropie ableitet, hatte Zeus durch den rituellen Verzehr von Knaben erzürnt und wurde zur Strafe in einen Wolf verwandelt. Im Horror-Genre der Unterhaltung verkehren sich die Beziehungen zwischen Strafe und Vergehen: Die Ursache für Lycanthropismus, die Menschenfresserei, wird nun als seine Folge gedeutet, unter dem Einfluß des Vollmonds wird ein bis dahin unschuldiger Mensch zum reißenden Tier.

In der Literatur hat das Werwolf-Motiv eine lange Tradition und wurde von zahlreichen Autoren der Schwarzen Romantik aufgegriffen. Der erste Film eines ungenannten Regisseurs, der das Werwolf-Motiv zum Thema hatte („The Werewolf“, 1913), übernahm eine Legende des Navajo-Stammes; ein Beispiel dafür, daß der Mythos in verschiedenen Kulturkreisen auftaucht.

In Adrián Garcia Boglianos „Late Phases“ (2013) zieht der blinde Vietnamveteran Ambrose (Nick Damici) auf Drängen seines Sohnes Will (Ethan Embry) in eine Seniorensiedlung. Doch mit dem Frieden ist es schnell vorbei, als Ambrose nur knapp den Angriff einer wilden Bestie überlebt, die hier offenbar schon länger ihr Unwesen treibt und der schon mehrere Menschen zum Opfer gefallen sind. Der knorrige Ambrose, der mit seiner ungehobelten Art wenig Sympathie bei seinen Nachbarn genießt, vermutet hinter den Angriffen einen Werwolf. So besinnt sich der einstige Soldat auf seine frühere Kampferfahrung und rüstet sich für den nächsten Vollmond …

Boglianos Film hält sich nicht lange mit der psychologischen Werwolf-Entwicklung und dem Auftreten von Lycanthropismus auf. „Late Phases“ verzichtet zwar weitgehend auf vordergründige Effekte, schwächelt aber nach einem gelungenen Anfang und zeigt zunehmend dramaturgische Fehler. Zudem ist der Film nicht konsequent genug, weil ihm das Archetypische der Erscheinung und die emotionale Ambivalenz fehlen; der Werwolf-Mythos verliert sich zu oft in der Vater-Sohn-Beziehung. Tricktechnisch nicht überzeugend und in der Schreckenserzeugung zu rücksichtsvoll ist „Late Phases“ für das Werwolf-Genre nicht sonderlich innovativ. 

DVD/Blu-ray: Late Phases. OFDb Filmworks 20 15, Laufzeit 92 Minuten