© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/15 / 07. August 2015

„Barça muß Katalonien verteidigen“
FC Barcelona: Fußballgigant und Wirtschaftsfaktor mit einem gehörigen Maß an Identität
Michael Ludwig

Zwei Monate vor den Provinzwahlen in Katalonien wird der Umgangston zwischen Barcelona und der Zentralregierung in Madrid zusehends rauer. Das betrifft nicht nur die Politik, sondern auch den Sport. Beim FC Barcelona, einem der bekanntesten Fußballclubs der Welt, standen kürzlich Präsidentschaftswahlen an, und die vier Kandidaten scheuten sich nicht, den Ball ins Feld des Politischen zu kicken – sie unterstützten die Bestrebungen Barcelonas, sich von Spanien kritisch zu distanzieren und ein politisches Eigenleben zu entwickeln.

Einen Vorgeschmack gab das neue Auswärtstrikot der Spieler, die zu Hause in den gewohnten dunkelblauen und scharlachfarbigen gestreiften Hemden auflaufen. Die Rücken der Spieler sind nun ganz in die „senyera“ eingehüllt, in die katalanische Fahne – fünf gelbe und vier rote, senkrecht verlaufende Streifen. Ein nicht zu übersehender Hinweis darauf, wo der Geist und die Seele des Clubs zu suchen und zu finden sind. 

 Barça macht keine Politik, es gestaltet Heimat 

Josep Maria Bartomeu, alter und neuer Präsident des Clubs, erklärte anläßlich der Vorstellung des Trikots: „ Barça macht keine Politik, es gestaltet die Heimat. Die Heimat gestalten ist nicht das gleiche wie Politik machen, sondern es bedeutet, an der Seite der Katalanen zu stehen – an der Seite der Zivilgesellschaft und unserer Mitglieder.“ Sein Rivale Agustí Benedito betonte: „ Barça muß Katalonien ohne Wenn und Aber verteidigen, aber es kann sich nicht in einen politischen Akteur verwandeln.“ Nur, wie soll das gehen – die Heimat zu gestalten und sie zu verteidigen, ohne politisch zu werden? 

Bei den rund 110.000 wahlberechtigen Clubmitgliedern setzte sich schließlich Bartomeu mit 54,6 Prozent klar gegen seine drei Widersacher durch, darunter auch gegen den früheren Präsidenten Joan Laporta (33 Prozent), der während seiner Amtszeit (2003–2010) wie kein anderer die Katalanisierung des Clubs vorangetrieben hatte. Ausschlaggebend für die Wiederwahl von Bartomeu dürfte der sportliche Erfolg der Fußballer um Top-Star Lionel Messi gewesen sein. Der FCB hatte in der vergangenen Saison mit der Champions League, der spanischen Meisterschaft und der Copa del Rey das Triple gewonnen. 

Die Verknüpfung von sportlichem Lorbeer und politischer Einflußnahme ist einem weiteren Katalanen nicht fremd, dessen Namen auch in Deutschland einen guten Klang hat – Pep Guardiola, der als Trainer Barca in ungeahnte fußballerische Höhen geführt hat und gegenwärtig die Elf von Bayern München trainiert. Er will bei den bevorstehenden Provinzwahlen das Parteienbündnis von CDC (Demokratische Konvergenz) und ERC (Linksrepublikaner) unterstützen, das sich besonders vehement für eine Loslösung Kataloniens von Spanien stark macht. 

Nach Angaben der Tageszeitung El País hat der Coach des deutschen Fußballmeisters allerdings nicht die Absicht, mit seiner angekündigten Kandidatur Abgeordneter im Parlament seiner Heimatprovinz zu werden. Seine Aufstellung sei lediglich symbolisch zu verstehen.

Schon seit jeher hat Barca für sich in Anspruch genommen, „mehr als ein Club“ zu sein – neben einem nahezu perfekten Fußballspiel symbolisiert er die Identität der Katalanen in Abgrenzung zum Spanischen, das Madrid verkörpert; Real Madrid ist und bleibt der geliebte Feind, und jedesmal, wenn die beiden Mannschaften zu einem „clásico“ aufeinandertreffen, dann es geht es mehr als um sportlichen Sieg oder sportliche Niederlage – nämlich um die Aufarbeitung von Geschichte, in der sich beide Volksgruppen nicht immer wohlgesonnen gegenüberstanden. Aber das ist noch nicht alles. Neben Fußball und Identität ist Barca vor allem ein erfolgreich geführtes wirtschaftliches Unternehmen, auf das kürzlich El Pais hingewiesen hat. Im Zusammenhang mit den Bestrebungen Kataloniens, den spanischen Staat zu verlassen und einen eigenen zu gründen, gewinnt diese Perspektive eine besondere Brisanz.

Die führende Madrider Tageszeitung  bezieht sich in ihrem Beitrag auf einen Artikel des US-Wirtschaftsmagazins Forbes, das die wirtschaftliche Leistung, die Barça direkt und indirekt generiert, auf 759 Millionen Euro pro Saison schätzt. Das entspricht 1,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts von Barcelona. Auf den ersten Blick mag diese Prozentzahl nicht sehr hoch erscheinen, drückt man sie aber in Eurobeträgen aus, so hat sie es durchaus in sich, vor allem für die wirtschaftlichen Zweige, denen sie zufließen. Rund sechs Prozent aller Touristen, die die katalanische Metropole am Mittelmeer besuchen, kommen ausschließlich – oder doch überwiegend – wegen des FCB. Sie buchen 1,3 Millionen Übernachtungen, gehen essen, kaufen ein, besuchen kulturelle Veranstaltungen. Rund 400 Euro, schätzt Forbes, läßt der typische Barça-Tourist an seinem Urlaubsort zurück.

Im einzelnen haben die Analytiker folgendes herausgefunden: Der Club und die von ihm gegründete Stiftung geben rund 282 Millionen Euro jährlich aus, die der Stadt und ihrer Wirtschaft direkt zugute kommen. 

15.265 Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt davon ab, ob es dem FC Barcelona wirtschaftlich gut oder schlecht geht. An der Spitze des Clubs, dessen Marktwert auf 2,85 Milliarden Euro geschätzt wird, ist man sich seines Einflusses und seiner wirtschaftlichen Macht durchaus bewußt. „Wir sind ein kraftvoller Motor für diese Stadt“, betont Präsident Bartomeu immer wieder. Von 2017 bis 2021 soll das Stadion Camp Nou für rund 600 Millionen Euro umgebaut und erweitert werden, was statt der bisherigen 759 Millionen künftig 826 Millionen Euro nach Barcelona spülen soll. Außerdem will der Verein den bisherigen Stadionnamen Camp Nou ablegen und einem potenten Interessenten die Gelegenheit geben, es für Werbezwecke nach seinem eigenen Gusto zu taufen. Ein entsprechender Vertrag soll zwischen 15 und 20 Jahre laufen und Barca 200 Millionen Euro bringen.

Was aber geschieht, wenn bei den bevorstehenden Provinzwahlen am 27.  September die Nationalisten gewinnen und, wie bereits angekündigt, 2017 den spanischen Staat verlassen werden? Eine Konsequenz ist dann unausweichlich – alle katalanischen Fußballvereine, inklusive Barça, könnten dann nicht mehr in der spanischen Bundesliga, der Primera División, spielen. Sie wären ihres sportlichen und damit auch ihres wirtschaftlichen Fundaments beraubt. Trotz aller Gedankenspiele, die angestellt werden, um im Fall der Fälle für Katalonien eine Ausnahmeregelung zu erreichen (vergleichbar etwa mit Frankreich/Monaco oder England/Wales), wird sich dies wohl nicht erfüllen. Denn eines kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorhersagen – die spanische Politik und Spaniens Fußballverband werden eine solche Regelung nicht zulassen.