© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31_32/15 / 24. Juli 2015

Dorn im Auge
Christian Dorn

Zum regen Hauptstadtverkehr trägt auch das BVG-Orchester bei, das zur „Gay Night at the Zoo“ aufspielt: zur großen Open-Air-Swing-Party im Zoo Berlin. Das Plakat hierzu wirbt mit tanzenden Paaren, darunter zwei Pinguine. Daß die nicht zufällig dabei sind, erschließt sich im Verlauf des Abends, als der Moderator, ein Jackett mit Leopardenmuster tragend, über die Vorreiterrolle der Pinguine spricht. So entdeckte um 1910 der Antarktisforscher George Murray Levick, daß männliche Adélien-Pinguine sich selbst befriedigen, mit anderen Männchen kopulieren, Jungvögel vergewaltigen oder Sex mit toten Weibchen haben. Die Praktiken der Masturbation, Vergewaltigung und Nekrophilie werden vom Conférencier freilich nicht erwähnt, schließlich geht es hier um den naturrechtlichen Beweis der Pinguine zur Legitimation der Homosexualität.


Tatsächlich wohnt der Veranstaltung ein natürlicher Zauber inne, eine eigentümlich ausgelassene Stimmung von Frohsinn und Menschenfreundlichkeit. Diese verbreiten auch zwei queere Nonnen vom Orden der Schwestern der Perpetuellen Indulgenz (O.S.P.I.), deren hörnerartige Kopfbedeckung einen Busen symbolisiert und die an das Publikum Präservative verteilen, um das Schlimmste zu verhüten. Natürlich ist dieser Abend auch einer der Sehnsucht. Der Entertainer Kay Ray, dessen farbiger Anzug das Muster des TV-Testbildes hat, singt „Somewhere over the Rainbow“, eingerahmt von den die Bühne überkränzenden Regenbogenflaggen. Luci van Org trägt als Bekenntnis zur Homo-Ehe den Gospelsong „We Are Going to the Chapel“ vor, der auch den unbeteiligten Zuhörer berührt, wird doch unmittelbar das seelische Bedürfnis der schwulen und lesbischen Paare spürbar, wenn sie sich einander versprechen. Das überzeugendste Bild jedoch gibt ein heterosexuelles Paar ab – die Frau im weißen Kleid. Skeptisch hingegen wirkt das nebeneinander stehende Männerpaar, zur Bühne schauend, jeder die rechte Hand am Kinn, als gelte es abzuwägen. Dieser nachdenkliche Moment sagt unfreiwillig alles – zu den Launen der Natur?


Das faszinierendste Bild bietet aber gegen Mitternacht das Gehege mit den Marabus und Kronenkranichen, die einschließlich der Natur um sie herum in ein märchenhaft grünes Licht getaucht sind und sich, derart illuminiert, am Flußufer wie auf einem Laufsteg exponieren. Dabei imponiert vor allem der Auftritt des Aasfressers Marabu, der in seinem leicht bizarren Frack so wirkt, als sei er eine Kreation des Modeschöpfers Jean Paul Gaultier.