© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31_32/15 / 24. Juli 2015

Das Ende des Parketthandels an der Chicagoer Terminbörse
Deutschland war Vorreiter
Thomas Kirchner

Am Mittwoch vor zwei Wochen erschütterte ein Erdbeben die Wall Street: Vier Stunden lang standen die Computer der New Yorker Börse (NYSE) still. Doch der Markt reagierte nur mit Schulterzucken. Während im Fernsehen Bilder des leergefegten Parketts liefen, ging der Handel weiter, als wäre nichts passiert, denn der traditionelle Parketthandel wird immer stärker von effizienteren elektronischen Handelsplattformen abgelöst. So wanderten die Umsätze während der stundenlangen Unterbrechung an der NYSE einfach an die elektronische Konkurrenz ab.

In den USA begann die Digitalisierung der Märkte erst im neuen Jahrtausend, als die Aufsichtsbehörden beschlossen, die Monopole der großen Börsen wie NYSE und der automatisierten Handelsplattform Nasdaq zu brechen und alternative elektronische Systeme zuzulassen. Bei Terminkontrakten (Futures) gibt es mit Globex zwar schon seit 20 Jahren eine elektronische 24-Stunden-Alternative, doch der Großteil des Volumens lief bisher über die Chicago Board of Trade (CBOT). Doch damit ist jetzt Schluß, die 1848 gegründete Terminbörse stellt ihren legendären Parketthandel weitgehend ein.

Deutschland hatte bei Terminkontrakten lange die Nase vorne. Die Computerterminals der Deutschen Terminbörse (DTB) besiegelten 1998 das Schicksal der Londoner Liffe. Ich hatte noch das Glück, dort einige Wochen auf dem Parkett verbringen zu können. Es ging zwar rauh zu, aber im Vergleich zu Chicago herrschte durchaus britische Höflichkeit. Effizient oder zeitgemäß war das Wirtschaften mit Zetteln und Handzeichen auch damals nicht. Gab es einen Disput, mußte man stundenlange Videoaufzeichnungen anschauen, um festzustellen, wer das falsche Handzeichen gegeben hatte. Schon vor zwei Jahrzehnten war klar, daß dieses System keine Chance gegen moderne Informationsverarbeitung hatte. Leider schafften es die DTB und ihre Nachfolger trotz mehrerer Anläufe nie, mit ihrer Technik in Übersee Fuß zu fassen und den gegen London erzielten Erfolg zu wiederholen.

Nicht nur bei der Technik, auch in Sachen Wettbewerb lag Deutschland lange vorn, ohne sich dessen bewußt zu sein. Die Regionalbörsen machten sich mit Frankfurt schon immer Konkurrenz, doch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten war der Gedanke, die Monopole der großen Börsen zu brechen, revolutionär. Inzwischen herrscht ein Wirrwarr von 69 aktiven Handelsplätzen, davon 44 für Aktien. Die neuen Alternativen teilen sich jedoch nur 15 bis 20 Prozent des gesamten Handelsvolumens. Der Wettbewerb etabliert sich langsam.

Auch auf dem Parkett gab es übrigens schon Hochfrequenzhandel: Händler auf eigene Rechnung. Wenn ein Makler Handzeichen für eine Kundenorder aufs Parkett gab, räumten sie schnell die Gegenseite ab. Der Kurs des Kunden war dann ein paar Stellen schlechter.