© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/15 / 17. Juli 2015

Staatsknete für Besserverdiener
Altersvorsorge: Riester-Renten werden auf Grundsicherung angerechnet / Steuermilliarden für ein schlechtes Geschäft
Peter Offermann

Walter Riester hat gut lachen. Der 71jährige schaffte den Sprung vom süddeutschen Fliesenlegergesellen über die DGB-Schiene zum Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in Berlin. Richtig Geld verdient hat der SPD-Politiker aber erst nach seiner Ministerzeit – als gut gebuchter Vortragsredner in der Finanzbranche oder Mitglied im Aufsichtsrat der Frankfurter Fondsgesellschaft Union Investment (UI). Transparency International sah in dem Namensgeber der Riester-Rente daher „ein Beispiel für politische Korruption“ und geißelte „eine unzulässige Interessenverquickung, die eines ehemaligen Bundesministers unwürdig und unanständig ist“.

Gezielte Werbung mit staatlicher Förderung

Daß UI zum größten Anbieter von Riester-Fondssparplänen wurde, mag Zufall sein, und Riester gab schon vor drei Jahren seinen UI-Posten ab – aber Riester-Modelle verkaufen sich weiterhin blendend. 2014 wurden über 16 Millionen riesterberechtigte Verträge gezählt. „Riester erreicht die Richtigen“ – so jubelte vielsagend der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) und bezog sich damit nicht auf Gewinne und Provisionen der eigenen Branche, sondern auf Zahlen der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA).

Fast zwei Drittel der Riester-Sparer und Zulagenempfänger lägen unter einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro. Vor allem Familien könnten von hohen Förderquoten profitieren. „Riestern“ mache aber nur dann Sinn, wenn die gesamte staatliche Förderung ausgeschöpft wird, so der GDV. Und das sei nur bei etwas mehr als der Hälfte der Riester-Sparer der Fall. Um die komplette Jahreszulage von 154 Euro abzufassen, muß ein Beitrag von vier Prozent des rentenversicherungspflichtigen Einkommens an die Bank, Bausparkasse oder den Versicherer entrichtet werden.

Was in den Riester-Verkaufsgesprächen wie in der politisch-medialen Stimmungsmache aber gern verschwiegen wird: Die Zulagen werden von den Vertriebskosten und Gebühren aufgefressen, und vielen Riestersparern droht im Alter sogar eine faktische Zusatzrentenauszahlung von Null Euro. Laut Bundessozialministerium müssen Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen von bis zu 30.000 Euro im Jahr damit rechnen, nur eine Rente in Höhe der Grundsicherung zu bekommen, wenn sie 2030 in den Ruhestand gehen. Und die staatliche Fürsorgeleistung wird um den Betrag der Riester-Rente gekürzt. Das bringt Riester-Befürworter in Erklärungsnöte, denn der Sparer finanziert so unter Umständen seine eigene Grundsicherung. Oder provokant ausgedrückt: Wer lieber nach Mallorca geflogen ist, als für die Riester-Rente zu sparen, bekommt im Alter monatlich die gleiche Summe auszahlt wie einer, der vorgesorgt hat.

Aussagen wie, daß man nicht abschätzen könne, ob es in 15 Jahren noch eine staatliche Grundsicherung gebe oder daß der Staat noch einige Rentenreformen durchbringen müsse, um die Altersarmut zu bekämpfen (Stichwort Einheitsrente), klingen zwar plausibel, sind aber derzeit nicht mehr als „heiße Luft“. Riestern ist und bleibt ein Ritt auf der Rasierklinge – nicht nur wegen der Zinsentwicklung oder der Vertriebskosten, sondern auch für diejenigen, ddie im Rentenalter auf Hilfe vom Staat angewiesen sind.

Die beworbenen Zulagen fallen auch nicht vom Himmel: Etwa drei Milliarden Euro jährlich müssen die Steuerzahler allein für die Riester-Förderung lockermachen, die gewährten Steuerermäßigungen kosten den Finanzminister etwa eine weitere Milliarde.

Der Großteil der staatlichen Zulagen gehe aber an Familien und Sparer mit niedrigen Einkommen, behauptet der GDV – doch eine aktuelle Studie der Freien Universität Berlin und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) räumt mit der Mär von der sozialen Umverteilung via Riester auf: „Wie eine Auswertung von repräsentativen Daten der Bundesbank (Panel of Household Finances) ergab, verteilen sich rund 38 Prozent der Gesamtförderung auf die obersten zwei Zehntel der verfügbaren Einkommen in der Gesamtbevölkerung“, schreiben Giacomo Corneo, Johannes König und Carsten Schröder.

„Bezogen auf aktive Riester-Sparer kamen rund 15 Prozent der Fördersumme des Programms bei den unteren beiden Zehnteln der verfügbaren Einkommen an.“ Zudem schlössen Haushalte mit Niedrigeinkommen seltener einen Riester-Vertrag ab. So würden nur rund sieben Prozent des untersten Zehntels, aber rund 22 Prozent des obersten Zehntels der Einkommensverteilung zur Zeit mit Riester-Verträgen sparen. Vielleicht hatte Walter Riester deshalb ursprünglich sogar eine Zwangsversicherung geplant – denn wer wenig verdient, läßt am besten die Finger vom Riestern.

Riester-Studie „Distributional Effects of Subsidizing Retirement Savings Accounts“: edocs.fu-berlin.de