© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/15 / 17. Juli 2015

Vermögenspreisblasen dürfen nicht mehr platzen
In der Zwangsjacke
Thorsten Polleit

Mitte Juni betrug die Marktkapitalisierung des chinesischen Aktienmarktes 10,1 Billionen Dollar. Vorige Woche es waren nur noch 6,8 Billionen Dollar. Zusätzlich zu diesem Aktien-Crash fallen auch die Häuserpreise, landesweit um ungefähr sechs Prozent pro Jahr. Doch es ist eine gute Sache, wenn der „Vermögenspreisblase“ – und darum handelt es sich in China – die Luft entweicht. Die begehrten Güter werden erschwinglicher, Fehlinvestitionen und Verschwendung wird Einhalt geboten. 

Doch politisch sind fallende Preise nicht gewollt. Die chinesische Zentralbank bekämpft sie. Seit November 2014 hat sie die Zinsen bereits viermal gesenkt. Der Grund: Chinas Volkswirtschaft ist – wie die der westlichen Welt auch – abhängig von steigenden Preisen, von Inflation. Die Inflation gaukelt – vergleichbar mit einer Fata Morgana in der Wüste – Überfluß vor, wo keiner ist. Unternehmen verbuchen Scheingewinne, die Risikofreude der Investoren gerät außer Rand und Band. 

Ein Inflations-Boom muß irgendwann platzen: Investitionsprojekte erweisen sich als unrentabel, Konsumenten erkennen, daß sie über ihre Verhältnisse leben. Eine schmerzhafte Anpassung folgt: Rezession, Kredit­ausfälle, Arbeitslosigkeit, begleitet von sozialen und politischen Spannungen. In einer inflationsgewöhnten Volkswirtschaft formt sich daher schnell ein Konsens: Besser den Inflations-Boom in Gang halten, als den Inflations-Bust zu durchleiden. 

China befindet sich in der gleichen Zwangsjacke wie die westliche Welt. Man will sich eine Rezession, die die Wirtschaft von der Inflationsdroge befreit, nicht mehr leisten. Mit niedrigen Zinsen und dem Ausweiten der Geldmenge soll das Konjunkturgebäude vor dem Einsturz bewahrt werden. Die Chinesen versuchen zudem noch, das Zusammensacken der Aktienblase mit staatlichen Stützungskäufen zu verhindern. Es wird wohl nicht von Erfolg gekrönt sein. 

Das einzig erfolgversprechende Mittel, den Inflations-Boom zumindest vorübergehend vor dem Platzen zu bewahren, ist das Verabreichen von noch mehr Kredit und Geld zu noch niedrigeren Zinsen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die chinesische Zentralbank bald von dieser Politik verstärkt Gebrauch macht. Wohin führt das, wenn alle großen Zentralbanken der Welt sich bemühen, mittels Geldmengenvermehrung für steigende Preise zu sorgen? 

Die Antwort liegt auf der Hand: zu steigenden Preisen auf breiter Front, die die Kaufkraft des Geldes schwinden läßt. Aber eben nicht nur das. Ein kredit- und geldgetriebener Inflations-Boom steht auf tönernen Fußen. Es würde eine sehr harte Landung geben, nicht nur für China, sondern für die Weltwirtschaft, wenn Sparer und Investoren irgendwann nicht mehr mitspielen, wenn sie das Vertrauen in die offiziellen Währungen verlieren. Zwar ist das Szenario noch nicht in Sicht, aber die Geldpolitiken arbeiten darauf hin.