© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/15 / 10. Juli 2015

Die britische Anti-Merkel
Margaret Thatcher, eine politische Macherin
Ansgar Lange

Nur wenige Politiker vermögen auch noch 25 Jahre nach ihrer Amtszeit die Gemüter zu erhitzen. Eine davon ist sicher Margaret Thatcher, deren Ära als konservative Parteivorsitzende und Premierministerin 1990 endete. Besonders vielen Linken gilt die „Eiserne Lady“ und ihr Politikstil bis heute als Inbegriff eines verteufelten Neoliberalismus, der ohne Rücksicht die Privatisierung britischer Staatsunternehmen als „alternativlos“ durchsetzte. Andere loben genau diesen „Thatcherismus“, der in Einklang mit der Entmachtung der übermächtigen Gewerkschaften die marode britische Wirtschaft überhaupt erst zukunftsfest machte.

Der Darmstädter Historiker Detlev Mares und sein Heidelberger Kollege Detlef Junker erliegen weder der Versuchung, das Leben der britischen Premierministerin als „Heldenepos“ noch als „Schurkenstück“ zu zeichnen, sondern schildern abgewogen die Vorzüge wie die Nachteile von Thatchers Persönlichkeit.

Thatcher war eine Überzeugungspolitikerin. Programm und Persönlichkeit waren bei ihr eins. Schon als Oppositionspolitikerin fiel sie durch scharfe Attacken auf. In gesellschaftlichen Fragen engagierte sie sich als Vertreterin des rechten Parteiflügels der Tories für Ehe und Familie, gegen Steuererhöhungen, für wirtschaftsliberale Positionen und die Todesstrafe. 

Als Parteivorsitzende und Oppositionsführerin im Unterhaus wollte Thatcher das Land ab 1975 einer Roßkur unterziehen, ausgerichtet an den Fixsternen „Markt, Moral und Monetarismus“. Mit dem klugen Wahlspruch „Labour isn’t working“ kam sie schließlich an die Macht und krempelte das Land nach ihren Vorstellungen um. Sie brach das Rückgrat der Gewerkschaften. Der produzierende Sektor schrumpfte, Großbritannien wurde zur Dienstleistungsgesellschaft. 

Thatcher war eine professionelle Medienpolitikerin, die in Debatten schlagfertig kontern konnte und akribisch an ihren Reden feilte. Gegen Ende ihrer Regierungszeit wurde sie immer störrischer. Ihre Haltung zur deutschen Einheit kann nur als katastrophal bezeichnet werden, gerade auch deshalb, weil sie rein reaktiv war: Thatcher hatte Angst vor einem wiedervereinigten Deutschland, das bald zur Zentralmacht des Kontinents avancieren sollte.

Detlev Mares, Detlef Junker (Hrsg.): Margaret Thatcher. Die Dramatisierung des Politischen. Muster-Schmidt Verlag, Gleichen–Zürich 2014, broschiert, 118 Seiten, 14 Euro