© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/15 / 10. Juli 2015

Döpfner, Niggemeier ... alles Quatsch
„Nach Feierabend“: Wird in einem Buch das Innenleben des Springer-Konzerns beschrieben?
Ronald Berthold

Wie erreichen Autoren Aufmerksamkeit für ein wenig beachtetes Buch? Sie bitten Kollegen, es in einem großen Medium zu skandalisieren. So hat es ein ziemlich langweiliger Roman von zwei früheren Welt-Redakteurinnen in die Schlagzeilen geschafft. Angeblich wird in diesem Buch die außereheliche Beziehung des Axel-Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner thematisiert.

Das behauptet zumindest der Medienjournalist Stefan Niggemeier in einer Kolumne für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS). In „Nach Feierabend“ beschreiben die ehemaligen Springer-Mitarbeiterinnen Kathrin Spoerr und Britta Stuff relativ zusammenhanglos das Privatleben von Mitarbeitern eines Medienunternehmens. Kurzgeschichte um Kurzgeschichte reihen die beiden aneinander, ohne daß sie Verknüpfungen herstellen. 

Sie versuchen die Frage zu beantworten: Was treiben diese Verlagsleute, wenn Sie den PC ausgeschaltet haben? Beziehungsweise: Was könnten die treiben? Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu wollen, werden die Autorinnen sicherlich nicht widersprechen, wenn wir diese Medien-Mitarbeiter als extrem gestörte Typen verstehen. Eigentlich kann einem angst und bange werden, wenn wir bedenken, daß die Leute verantwortlich sind für die Verbreitung von Nachrichten. Ein Werbebuch für die Medienbranche ist das unter diesem Gesichtspunkt kaum.

Geht es in Wirklichkeit nur um eine Werbekampagne?

Daß es sich bei dem beschriebenen Verlag um das Haus Axel Springer handeln könnte, erschließt sich selbst Angestellten und Insidern nach der Lektüre nicht wirklich. Aber Niggemeier behauptet das in seinem Text für die FAS einfach mal („frappierende Ähnlichkeit“). Schließlich haben die Autorinnen dort mal gearbeitet. Und vielleicht, weil der Medienkritiker liest, daß der Verlag in einem Hochhaus sitzt. Macht Springer das nicht auch? Allerdings hat das Springer-Gebäude 19 Etagen, in dem Buch sind es 21.

Auch ansonsten sind kaum Ähnlichkeiten mit Springer-Protagonisten erkennbar. Der Vorstandsvorsitzende wird als „dick“ beschrieben. Döpfner ist nicht dick, dafür lang – sehr lang, weit über zwei Meter. In dem Buch beschimpft der fußballspielende Vorstandschef seine am Spielfeldrand zuschauende Ehefrau als „Fotze“. Das ist von Döpfner kaum vorstellbar und auch nicht überliefert. Daß er nicht der treueste Gatte ist, dagegen sehr wohl. Schon vor zwei Jahren machte der Spiegel Döpfners Affäre mit der 14 Jahre jüngeren Millionenerbin und Kunstsammlerin Julia Stoschek öffentlich. Der Verlag reagierte darauf – so das Magazin – damals mit den Worten, dies sei „doch alles bekannt“.

In „Nach Feierabend“ nun geht der dicke Boß mit der leitenden Justitiarin des Hauses fremd – eine absolut unscheinbare Frau, die die Autorinnen nur „das Mädchen“ nennen. Wie Niggemeier darauf kommt, bei dem Mann könnte es sich um Döpfner handeln, bleibt ein Rätsel.

Denn auch sonst sind keinerlei Ähnlichkeiten erkennbar. Markus Meyer – wie das angebliche Döpfner-Abbild im Buch heißt – verfügt über ein riesiges Büro mit einem absolut aufgeräumten Schreibtisch in der Mitte des Raumes. An der Wand hängt ein gigantisches Bild von einem Adler, der auf dem Kopf steht. Das Gemälde ist so groß, daß es nicht durch die Tür paßt. Döpfner dagegen arbeitet an einem für seine Position kleinen bescheidenen Schreibtisch, und an der Wand hängt ein riesiger gemalter Davidstern. Dieses Bild soll – so wilde Gerüchte unter Kollegen – nicht nur eine Reverenz an Israel sein, sondern auch an seine angebliche jüdische Geliebte aus der Filmbranche. Was Journalisten eben so über ihren obersten Chef tratschen. Hätte nur noch gefehlt, daß Niggemeier diese Latrinenparole auch noch den FAS-Lesern verkauft.

In Stuffs und Spoerrs Buch schreibt der Vorstandsvorsitzende eine Mail an die Mitarbeiter, in der er verkündet, „einige Abteilungen“ des Hauses zu schließen. Das kommt in Zeiten der Zeitungskrise nun wirklich überall und immer vor. Für Niggemeier soll das aber für den Verkauf von Hörzu, Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt an die Funke-Gruppe stehen. Seine Rezension wirkt doch eigenartig konstruiert. Da es aber andere Journalisten gibt, die das Buch offenbar nicht gelesen haben, schaffte es Niggemeiers Munkel-Geschichte in viele überregionale Blätter. Abschreiben geht eben heute vor Recherche. Dem Verkauf des Buches dürfte es nicht geschadet haben. Die Leser werden sich nach der Lektüre aber doch arg über dieses nicht sehr wahrheitsgetreue Marketing gewundert haben.

Britta Stuff, Kathrin Spoerr: Nach Feierabend. DuMont Buchverlag, Köln 2015, gebunden, 208 Seiten, 18,99 Euro