© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/15 / 10. Juli 2015

„Holt unser Gold heim!“
Währungspolitik: Der Ökonom Peter Boehringer beleuchtet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des deutschen Edelmetallschatzes
Bruno Bandulet

Ganz neu ist die Frage nicht, ob unser Gold noch da ist. Als Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht noch vor seinem Rücktritt 1930 anläßlich einer Notenbankkonferenz in New York weilte, machte ihm Benjamin Strong, der Präsident der Federal Reserve Bank, einen Vorschlag: „Dr. Schacht, jetzt sollen Sie auch mal sehen, wo das Gold der Reichsbank aufbewahrt wird.“

Die beiden stiegen in den Keller der New Yorker Notenbank und durchschritten die Tresore, während die Beamten den Aufbewahrungsplatz des Reichsbankgoldes suchten. Bis sie schließlich zugeben mußten: „Mister Strong, wir können das Gold der Reichsbank nicht finden.“ Strong, so schreibt Schacht in seinen Memoiren, „war sehr bestürzt, aber ich tröstete ihn: Lassen Sie’s gut sein, ich glaube Ihnen, daß das Gold da ist. Selbst wenn es nicht da sein sollte, sind Sie mir gut für den Ersatz.“

Deutsches Staatsgold in fremder Verwahrung

Jens Weidmann, der heutige Bundesbankpräsident, hätte wohl kaum anders reagiert. Notenbankchefs vertrauen einander, das bringt ihr Amt mit sich, und es ist fast undenkbar, daß die Bundesbank die Währungsbehörde der westlichen Hegemonialmacht öffentlich desavouieren würde. Und doch: Nachdem Martin Hohmann (CDU) im Bundestag unbequeme Fragen gestellt hatte, nachdem Peter Boehringer zusammen mit Rolf von Hohenhau, dem Präsidenten des Europäischen Steuerzahlerbundes, 2011 die Bürgerinitiative „Holt unser Gold heim!“ gegründet hatte, nachdem Peter Gauweiler (CSU) mit kritischen Anfragen im Bundestag nachgelegt hatte. Als dann auch noch der Bundesrechnungshof aktiv wurde – da blieb der Bundesbank nichts anderes übrig, als zu reagieren.

Seit Januar 2013 ist es erklärte Politik der Frankfurter Währungshüter, bis zum Jahr 2020 das deutsche Goldlager in Paris (374 Tonnen) ganz aufzulösen und zudem 300 Tonnen aus New York abzuziehen. Am Ende sollen in New York noch 37 Prozent der deutschen Goldreserven verbleiben und in London (unverändert) 13 Prozent. Daß es keinerlei triftige Gründe dafür gibt, die Hälfte des deutschen Staatsgoldes in fremder Verwahrung zu belassen, wird in Boehringers Buch ausführlich herausgearbeitet. Mit der Akribie eines Kriminologen widerlegt der Autor Punkt für Punkt die Ausflüchte der Berliner Regierungspolitiker und der deutschen Notenbanker, so auch den Vorwand, die Hälfte der deutschen Goldreserven müßten in New York und London bleiben, damit sie im Notfall verpfändet oder in Dollar getauscht werden könnten.

Besonders interessant bei Boehringer ist der Abdruck des geheimnisumwitterten Blessing-Briefes vom 30. März 1967, in dem der damalige Bundesbankpräsident den Amerikanern zusagte, keine Dollars in physisches Gold zu tauschen – zu einem Zeitpunkt, als Frankreich sehr wohl von diesem Recht Gebrauch machte. Darüber hinaus erzählt Boehringer die Geschichte des deutschen Währungsgoldes seit 1951, dokumentiert Arbeit und Erfolge seiner Bürgerinitiative und behandelt ähnliche Initiativen im Ausland, mit denen er engen Kontakt pflegt. Tatsächlich hat inzwischen auch die Zentralbank der Niederlande 122,5 Tonnen aus New York repatriiert. Und die Österreichische Nationalbank will im Zuge ihrer „neuen Goldstrategie“ bis 2020 110 Tonnen heimholen.

„Der letzte Rest solider Substanz im Finanzsystem“

Auch anderswo wächst das Mißtrauen gegenüber den Yankees. Rußland kauft Gold und verkauft Dollars, China baut seine Goldreserven heimlich auf – und erst am 12. Juni unterschrieb der Gouverneur des US-Bundesstaates Texas ein Gesetz zur Schaffung einer eigenen Goldlagerstelle. Geplant ist, Gold im Wert von einer Milliarde Dollar von der Federal Reserve Bank of New York nach Texas zurückzuholen. Das Gold ist Eigentum der Universität-Texas-Stiftung.

Daß man mit Gold zwei Weltkriege, zwei Währungsreformen und (seit 1999) den Euro bestens überstehen konnte, ist in Deutschland hinreichend bekannt. Zugleich spiegelte das Auf und Ab des Staatsgoldes den Schicksalsweg der Nation. Nach der Niederlage 1871 zahlte Frankreich einen Kriegstribut in Höhe von fünf Milliarden Francs in Gold. Ein Großteil davon wanderte als Reichskriegsschatz in den Juliusturm der Zitadelle Spandau, bis sich die Franzosen ihr Gold nach 1918 zurückholten. Noch 1930 besaß die Reichsbank 794 Tonnen, 1935 waren es nur noch 56 Tonnen. Das Dritte Reich war ständig knapp an Gold und Devisen.

1948 begann die Bank deutscher Länder, die Vorläuferin der Bundesbank, bei Null. In den fünfziger und sechziger Jahren erlaubten die deutschen Exporterfolge den neuerlichen Aufbau der Goldreserven – von ganzen 25 Tonnen 1951 bis auf über 4.000 Tonnen 1968. Der Goldschatz war der Lohn des deutschen Wirtschaftswunders, spielte nach dem Ende der Goldbindung des Dollars 1971 nur noch eine Nebenrolle, könnte aber als Basis für die Rückkehr zur Deutschen Mark von Nutzen sein, sollte das Euro-Experiment doch noch scheitern.

Völlig zu Recht nennt Boehringer das Staatsgold den „letzten Rest solider Substanz im Weltfinanzsystem“ und die „Basis staatlicher Souveränität“. Nicht anders sehen es die Regierungen in Rußland, China und einer Reihe anderer Schwellenländer. Sie kaufen planmäßig Gold. Noch bis 2009 standen die Zentralbanken insgesamt auf der Verkäuferseite, seitdem akkumulieren sie das edle Metall – im vergangenen Jahr netto knapp 600 Tonnen, dies bei einer weltweiten Minenförderung von gut 3.100 Tonnen.

Gold als Grundlage der Souveränität

An der faktischen Souveränität Deutschlands sind Zweifel erlaubt, nicht aber am Stellenwert des Staatsgoldes als eines der letzten verbliebenen Souveränitätsmerkmale. Bei einem großen Teil der deutschen Medienschaffenden ist das Interesse an der Souveränität ihres Landes eher schwach ausgeprägt. So auch bei den Redakteuren der Hamburger Zeit, die sich schon einmal zu der Empfehlung verstiegen, die 1.546 Tonnen deutschen Goldes aus New York einfach im Atlantik zu versenken.



Weltweite staatliche Goldreserven im Juni 2015
Der Stand der weltweiten staatlichen Goldreserven wird monatlich vom Internationalen Währungsfonds (IWF) veröffentlicht. Vollständig können die Zahlen nicht sein, weil nicht alle Länder zuverlässig an den IWF berichten – oder mit jahrelanger Verspätung wie im Fall China. Insgesamt summieren sich die globalen staatlichen Goldreserven auf 31.949 Tonnen. Davon entfallen 10.790,5 Tonnen auf die Eurozone und davon wiederum 504,8 Tonnen auf die Europäische Zentralbank. Die Grafik zeigt die zehn größten Goldbesitzer zusammen mit dem prozentualen Anteil, den das Staatsgold an den jeweiligen Währungsreserven ausmacht. Seit den umfangreichen Goldverkäufen vor und nach der Jahrhundertwende sind die Goldbestände der westlichen Industriestaaten zurückgegangen, besonders deutlich die Großbritanniens und der Schweiz. Ebenso wie die USA hat sich Deutschland an den Verkaufsprogrammen nicht beteiligt – abgesehen von minimalen Abgaben der Bundesbank zwecks Münzprägung und der einmaligen Überstellung von 232 Tonnen an die EZB. Griechenland  hält nach dem Stand vom Juni 112,5 Tonnen Gold – das sind mehr als Südkorea oder Polen. Damit bestehen 65,7 Prozent der Athener Währungsreserven aus Goldbarren. Rußland hat seine Goldreserven in den vergangenen Jahren massiv aufgestockt und besitzt inzwischen den fünftgrößten Goldschatz der Welt. Kasachstan hat seinen Goldschatz seit 2011 verdreifacht.




Dr. Bruno Bandulet war von 1979 bis 2013 Herausgeber des Branchendienstes „Gold&Money Intelligence“.

Peter Boehringer: Holt unser Gold heim – Der Kampf um das deutsche Staatsgold. Finanzbuch Verlag, München 2015, gebunden, 432 Seiten, 19,99 Euro