© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/15 / 10. Juli 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Feste feiern
Marcus Schmidt

Wenn sich in den Sommermonaten in Berlin vor den Vertretungen der Bundesländer lange Schlangen meist gut gekleideter Menschen bilden, ist es wieder soweit: Die Zeit der Sommerfeste in den „Botschaften“ der Länder hat begonnen. Vor allem in den letzten Sitzungswochen vor der parlamentarischen Sommerpause strömen Bundestagsabgeordnete, Regierungsmitglieder, Beamte, Journalisten und Lobbyisten zu Hunderten in die Niederlassungen im Regierungsviertel.

Die Feten sind ein fester Bestandteil im politischen Jahreslauf der Hauptstadt. Doch sie dienen nicht nur dem Zeitvertreib oder der Selbstdarstellung der traditionell auf ihre Eigenständigkeit pochenden Bundesländer. Die Sommerfeste sind immer auch eine willkommene Kontaktbörse. Daher sind die Einladungen nicht nur bei Berliner Politikern, Lobbyisten und Journalisten, sondern auch in den jeweiligen Bundesländern äußerst beliebt, bieten sie doch die Gelegenheit, niederschwellig Kontakt zu Bundestagsabgeordneten, Wirtschaftsvertretern oder sogar Bundesministern aufzunehmen. 

Finanzielle Unterstützung erhalten die Landesvertretungen für ihre Feste vor allem von der heimischen Wirtschaft. Die Sponsoren werden fein säuberlich in den Programmheften aufgeführt und dürfen sich auf der Veranstaltung entsprechend präsentieren. Das gilt nicht nur für Unternehmen, die aus diesem Anlaß kulinarische Spezialitäten aus der Region anbieten. Auf dem Sommerfest der Landesvertretung Niedersachsen gab es so etwa in der vergangenen Woche eine eigene Lounge des Autobauers VW, in der sich auch Konzernschef Martin Winterkorn blicken ließ.

Einen anderen Charakter hat mittlerweile das Sommerfest des Bundespräsidenten im Garten von Schloß Bellevue.  Wie schon in Bonn war es auch in Berlin lange Tradition, daß das Staatsoberhaupt zu diesem Anlaß neben den üblichen Verdächtigen aus Politik und Wirtschaft auch Bürger einlud, die sich besondere Verdienste erworben hatten. Bundespräsident Joachim Gauck machte mit dieser Praxis Schluß. Er verlegte nach seinem Amtsantritt das Fest in den Spätsommer und „demokratisierte“ die Veranstaltung. Statt streng nach Einladungsliste vorzugehen, wandelte Gauck das Fest zum „Bürgerfest“ um. Kommen darf, wer Lust hat. Davon machten bereits bei der ersten Auflage 2012 gut 19.000 Bürger Gebrauch. Doch Gauck hatte nicht nur die Einladungspolitik radikal geändert. Er machte auch mit dem Sponsoring im klassischen Sinne Schluß. Das Bundespräsidialamt hatte statt um Geld bei Unternehmen gezielt um Sachspenden geworben.

In diesem Jahr findet das Bürgerfest des Staatsoberhauptes am 11. und 12. September statt. Am ersten Veranstaltungstag werden Bürger beim Bundespräsidenten zu Gast sein, die das Ehrenamt in herausragender Weise mit Leben füllen und mit ihrem Engagement dem Gemeinwohl dienen. „Am zweiten Tag heißt der Bundespräsident alle interessierten Bürgerinnen und Bürger willkommen“, teilte das Bundespräsidialamt mit.