© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/15 / 03. Juli 2015

Holland in Not
Infolge Jagdverbots sind die Gänse zur Plage geworden – nun werden drastische Maßnahmen ergriffen
Bernd Rademacher

Der moderne Verbraucher ist vom Produktionsprozeß seiner Fleischwurst vollständig abgekoppelt. Das führt zu einer naiv-romantischen Naturvorstellung, aus der sich eine irreale Ideologie speist. Wohin diese führt, wenn sie als „Tierschutz“ politisch wirksam wird, sieht man dieser Tage in den Niederlanden: Weil Jäger dort keine Wildgänse mehr abschießen dürfen, wurden diese zur akuten Plage – und werden nun massenhaft vergast!

Auf Druck selbsternannter „Tierrechtler“ erließ die niederländische Regierung 1999 eine ganzjährige Schonzeit für Millionen Kanada-, Nil-, Rost-, Schnee- und Graugänse. Und machte dem Berufsstand der Jäger unmißverständlich deutlich: Euer Tun ist unerwünscht. Mit verheerenden Folgen für das Gleichgewicht der Fauna: Erst wurden die Tiere zum Problem, wenige Lenze später zur Plage; die landwirtschaftlichen Schäden durch Fraß und Kot sind mit jährlich 25 Millionen Euro noch konservativ geschätzt. Die Bestände haben sich so explosionsartig vermehrt, daß herkömmliche Methoden wie Jagd oder das Anstechen der Eier keine Wirkung mehr haben. Die Lage ist außer Kontrolle!

EU-Kommission hob Verbot der Tötung durch CO2 auf

Darum hat sich Den Haag nun zu einer drastischen Maßnahme entschlossen, die böse Assoziationen weckt: Die Gänse werden seit dem 1. Juni in großer Zahl in mobilen Vergasungsautos mit Kohlendioxid getötet, fast 900 gleich am ersten Tag, hauptsächlich flugunfähige Jungtiere und Altvögel in der Mauser. Die Europäische Kommission hob eigens das Tötungsverbot durch CO2 auf. Um die Situation wieder in den Griff zu bekommen, müßten mindestens 400.000 Tiere vergast werden, schätzen Experten.

Die Gänse verursachen nicht nur Schäden in der Landwirtschaft: Sie verwandeln Gewässer in grüne Brühe, Wiesen in braune Ödnis. Badeseen und Spielplätze mußten wegen Bakterienalarm durch Unmengen von Gänsekot behördlich geschlossen werden.

Ein holländischer Unternehmer ist mit seinem Tötungsmobil in die Marktlücke gestoßen. An einem Wochenende vergast er bis zu 7.000 Gänse. Von den Bauern wird er gefeiert – von „Tierschützern“ als „Nazi“ beschimpft. Militante Tierrechtler brachen bereits in sein Büro ein, verwüsteten und beschmierten es und legten Feuer.

Doch selbst Naturschützer sehen ein, daß die Population drastisch verringert werden muß: Eingewanderte Gänse verdrängen heimische Wasservögel, blockieren wegen Standorttreue die Plätze der Zugvögel, paaren sich mit fremden Arten – kurz, sie stören das Ökosystem ganz erheblich. Nur die Methode der Vergasung lehnen sie wegen der finsteren Geschichtsparallelen ab. Auch manche Jäger sind skeptisch, weil die Fraßschäden nicht von brütenden Gänsen, sondern überwiegend von den Junggesellenschwärmen verübt werden.

Statt dessen plädieren die Umweltverbände dafür, die befruchteten Gänseeier zu schütteln, um die Embryonen zu töten. Die Gans brütet auf den leblosen Eiern weiter. Zerstörte man die Eier, würde sie einfach neue legen. So führt ökologische Kurzsicht zu neuen und größeren Grausamkeiten (über die sich die Tierschutz-Aktivisten übrigens nicht aufregen).

Dasselbe Phänomen steht auch in Deutschland auf der Schwelle. Am Niederrhein kam es infolge von Gänsemassen bereits zum „Gänsekrieg“ zwischen der „Abschießen!“-Fraktion und den „Vogelmörder!“-Gegnern. Sogar in Großstädten wie Dortmund sind Gänse an Freizeitseen und Wasserstraßen zu einer veritablen Landplage geworden.

Und die Moral von der traurigen Geschicht’? Hätte man das Geplärre der „Tierschutz“-Stadtkinder gar nicht erst aus politischer Opportunität beachtet und die Hege der Bestände weiter den naturkundigen Jägern überlassen, die zur rechten Zeit einen fast schmerzlosen Schuß abgeben, hätte man heute kein Problem – und bedeutend weniger Tiere müßten grausam sterben.

Foto: Eingefangene Graugänse unweit des Amsterdamer Flughafens: 400.000 Gänse sollen in den Niederlanden mit Kohlendioxid vergast werden