© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/15 / 03. Juli 2015

Die Außenseiter begehren auf
Internet-TV: Trotz der erdrückenden Macht der öffentlich-rechtlichen Sender floriert das Spartenfernsehen
Stefan Peters

Nach neun Jahren ist nun Schluß. Das Deutsche Anleger-Fernsehen (DAF) kappt seine Verbindung zu den Kabelnetzen und Übertragungssatelliten und zieht sich ins Internet zurück. Doch was zunächst nach Niederlage und Rückzug ins Abseits aussieht, kann sich gleichwohl mittelfristig zu einer Fortsetzung der im August 2006 begonnenen Erfolgsgeschichte entwickeln. Der Spartensender kehrt damit zu seinen Wurzeln zurück, und der interessierte wie technikaffine Zuschauer fragt sich: Warum nicht gleich so?

Warum versenkte die Kulmbacher Börsenmedien AG von Bernd Förtsch jahrelang horrende Geldsummen in den Untiefen der durchregulierten deutschen Fernsehlandschaft? Gerade im Jahr 2007, als das DAF zum ersten Mal über Kabel und Satellit gesendet wurde, setzten Video-Plattformen wie Youtube zum großen Sprung an und fertigten das Fundament, auf dem sie den altbackenen Fernsehsendern nun Monat für Monat die Zuschauer abjagen. Das Anlegerfernsehen setzte auf das falsche Pferd und kehrt nun nach vielen verschenkten Jahren zurück in die Zukunft.

ARD und ZDF wollen     private Inhalte verdrängen

In der Zwischenzeit haben viele kleine und mittelgroße Unternehmungen vorgemacht, wie im digitalen Zeitalter mit wenig Geld viel erreicht werden kann. Längst hat zum Beispiel der ehemalige Fox-News-Moderator Glenn Beck seinen eigenen werbefreien Privatsender zu einem profitablen Betrieb ausgebaut. Auch in Deutschland haben junge und ehrgeizige Unternehmer den staatsnahen Unterhaltungs- und Nachrichtenanstalten den Kampf angesagt. Nahezu jede denkbare politische Szene politikverdrossener Bürger pflegt mittlerweile auf Youtube und anderen Internetseiten ihre audiovisuellen Schätzchen. Von radikalen Sozialisten bis hin zu erzkonservativen Katholiken: Alle schauen fern. Ohne Rundfunkgebühren, ohne Zwangsabgabe.

Es war vor diesem Hintergrund nur eine Frage der Zeit, bis die per Zwangsabgabe finanzierten öffentlich-rechtlichen Sender auch von wirtschaftswissenschaftlicher Seite Kontra erfahren mußten. Der Ökonom Justus Haucap und sein Düsseldorfer „Institute for Competition Economics“ kritisierten jüngst in einem Gutachten die „Sonderrolle“ von ARD und ZDF. Deren Bedeutung sei aufgrund der privat organisierten Vielfalt im Internet kaum mehr aufrechtzuerhalten. Die TV-Steuer sei alles andere als zeitgemäß. Paradoxerweise habe die im Netz aufblühende Medienlandschaft nicht dazu geführt, daß das öffentlich-rechtliche Angebot zurückgestutzt wurde. Vielmehr hätten ARD und ZDF expandiert und so „private Inhalte“ verdrängt. Die Öffentlich-Rechtlichen weisen mittlerweile ein beachtliches Produktionsvolumen mit 23 Fernsehkanälen und 63 Radiosendern auf. 

Zu „erheblichen Mehreinnahmen“ habe die neue, seit 2013 erhobene „nutzungsunabhängige“ Haushaltsabgabe geführt. Die Forscher urteilten abschließend: „Traditionell wurde die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit verschiedenen Marktversagenstheorien begründet, die heute nicht mehr anwendbar sind.“ Neue technische Möglichkeiten, für die keine millionenschweren Produktionsbudgets mehr benötigt werden, ermöglichten ein „äußerst umfangreiches Programmangebot mit zahlreichen Video-on-Demand-Angeboten und neuen Kommunikationskanälen“. Dank des Internets habe „die Meinungsvielfalt ein zuvor nicht dagewesenes Ausmaß erreicht“. Letztendlich forderten die Ökonomen „einen Ausschreibungswettbewerb, um Programminhalte mit besonderem gesellschaftlichem Interesse zu etablieren und diese finanziell zu fördern“. Zur Finanzierung sei beispielsweise eine „nutzungsabhängige Gebühr“ denkbar. 

Es dürften allerdings nur Programminhalte gefördert werden, die sich nicht am Markt durch Werbung oder im Bezahlfernsehen finanzieren lassen. Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT brachte Frank Schäffler, Geschäftsführer von „Prometheus – Das Freiheitsinstitut“, das Dilemma auf den Punkt: „ARD und ZDF sind unsozial, willkürlich und teuer. Immer weniger wollen die Öffentlichen sehen, aber immer mehr Geld wird durch den Zwangsbeitrag abkassiert. In einem freien Markt hätte die digitale Revolution ARD und ZDF längst weggefegt.“ Um letzterem ein wenig nachzuhelfen, hat Frank Schäffler eine Online-Petition für die Abschaffung des Zwangsbeitrages (www.zwangsbeitrag.info) initiiert.

Doch abgesehen von ökonomischen und steuerpolitischen Sachverhalten stellt sich ebenso die Frage, inwieweit staatliche Strukturen auf ihre medialen Werkzeuge verzichten können und vor allem wollen. Der einflußreiche amerikanische Journalist Walter Lippmann, im Ersten Weltkrieg Berater von US-Präsident Wilson, stellte bereits 1922 in seinem Essay „Public Opinion“ fest, daß kollektive Vorlieben, Meinungen und Entscheidungen besonders effizient über die modernen Massenmedien geformt werden könnten und sollten. 

Er definierte die intakte Demokratie als Zwei-Klassen-System, in dem sich die Klasse der Spezialisten mit den Angelegenheiten des Allgemeinwohls auseinanderzusetzen und die Klasse der Massenmenschen als „verwirrte Herde“ vor den komplizierten Sachverhalten der Staatsführung zu schützen habe. Im Internet begehren die „unwissenden und aufdringlichen Außenseiter“ schon seit geraumer Zeit auf. Nicht als Herde, sondern als schlagkräftige Individuen.