© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/15 / 03. Juli 2015

Flugzeugtrümmer im Präsidentengarten
Afrika: Der Reisejournalist Alex Tannen schildert seine Eindrücke von Ruanda
Ronald Berthold

Als Ruandas Diktator Juvénal Habyarimana am 6. April 1994 mit dem abgeschossenen Regierungsjet direkt in seinen Garten stürzte, war dies der Auslöser für den lange geplanten Völkermord an den Tutsis. Die Trümmer seines Todesflugzeuges liegen noch heute auf dem Grundstück und sind genauso zu besichtigen wie sein Palast. Der Reisejournalist Alex Tannen nimmt seine Leser bei der Hand und spaziert mit ihnen durch den früheren Präsidentenpalast mit dem Flugzeugwrack im Garten. Einem Gedächtnisprotokoll gleich – Fotografieren ist dort verboten – führt Tannen launig durch das geschmacklose Neureichenanwesen dieses afrikanischen Diktators. Erschreckend und lehrreich zugleich, wie es sich oft Potentaten in aller Welt gemütlich machen.

Die meisten Touristen werden aber wohl nach Ruanda fahren, um Berggorillas zu sehen – auch Alex Tannen. In seinem fünften Afrikabuch, „Ruanda – Im Schatten der Gorillas“, faßt er seine Reiseerlebnisse zusammen und bietet natürlich einen Einblick in die Welt der Gorillas. Doch aus ihrem Schatten ragen andere Attraktionen heraus, die der Autor in ihrer ganzen Faszination beschreibt: die Virunga-Vulkanberge oder der Kiwusee an der Grenze zum Kongo. Einen großen Raum nimmt auch die frappierende wirtschaftliche Entwicklung Ruandas nur zwanzig Jahre nach dem Genozid ein. Tannen wähnt sich nicht mehr in Afrika: Infrastruktur, Staatswesen und öffentliche Ordnung sind in einem vergleichsweise sehr soliden Zustand. Wer Afrika liebt, kann mitstaunen und auf dem Weg zu den Reisezielen des Autors die Erfolgsgeschichte dieses afrikanischen Tigerstaats miterleben.

Tannen, ein intimer Kenner deutscher Kolonialgeschichte, beleuchtet auch dieses Kapitel. Ruanda war bis zum Ende des Ersten Weltkriegs ein Teil Deutsch-Ostafrikas; die Hauptstadt Kigali gründete einst der Arzt Richard Kandt. Deutsche Forscher haben minutiös und teils voller Bewunderung das Land beschrieben.

Ebenso begeistert ist Tannen. Seine Zuneigung zu diesem Land, dessen Tier- und Pflanzenwelt, Bergen und Seen schimmert durch fast jede Zeile. Ruanda erscheint nicht nur als attraktives – und durchaus teures – Reiseziel, sondern lädt politisch interessierte Touristen auch zum Anschauungsunterricht ein, daß und wie es Afrika aus der Misere schaffen kann. Denn Politik, Geschichte und Safarierlebnisse bilden die typische Mischung Tannens getexteter Road-Movies.

Alex Tannen: Ruanda – Im Schatten der Gorillas, 68 Seiten mit Fotos und Karte. Erhältlich über Amazon: Taschenbuch 5,99 Euro; E-Book 2,99 Euro