© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/15 / 03. Juli 2015

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Dirk Schümer hat unlängst auf die prekäre Situation der Uffizien hingewiesen, deren Räume selbst mit den geplanten Erweiterungsbauten dem Ansturm des „Selfie-Mobs“ kaum gewachsen sind. Das Phänomen als solches ist nicht neu, nur die Kapitulation der Museumsleitungen im Hinblick auf Fotografierverbote angesichts der immer kleineren und immer schneller zückbaren Geräte. Die Globalisierung hat eben auch dazu geführt, daß nach den ignoranten Massen aus der Nähe, nun auch die aus aller Herren Länder herbeiströmen, was die zu Eventmanagern degradierten Verantwortlichen aus finanziellen Gründen begeistert und jeden Kulturmenschen entsetzt.

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Bilanz einer Veranstaltung des Stadtjugendrings: Kiffer (Grüne Jugend), antifaschistische Tabak- und Alkoholkonsumenten (Solid), Sprayer (Falken), Abwesende (Julis), betont lockere, kostenlose Waffeln verteilende Polohemdenträger (Junge Union).

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Das Bundesgericht der Schweiz ist zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Kind nur einen Vater haben kann. Nachdem zwei Männer in eingetragener Partnerschaft mittels Leihmutter in den USA zu einem Kind gekommen waren, verlangten beide als Eltern ins Personenstandsregister eingetragen zu werden. Das untersagte das Gericht unter Hinweis auf rechtliche wie ethische Bedenken.

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Vielleicht ist das Verhalten der griechischen Regierung doch ganz einfach zu erklären: Intelligenzmangel.

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Man dürfe den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen, heißt es, müsse kompromißfähig bleiben, Verständnis aufbringen und Geduld haben. – Aber: Manchmal ist einfach das Gegenteil dessen richtig, was man die ganze Zeit versucht hat.

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Es bleibt zwar rätselhaft, warum man Slavoj Žižek überhaupt nach etwas fragen sollte, aber wenn man es tut, darf man sich nicht wundern, daß Erwartbares als Antwort folgt: der Flüchtlingsstrom nach Europa ist seiner Meinung nach Europas eigene Schuld, Folge unseres Eingreifens, qua militärischer, humanitärer, wirtschaftlicher Maßnahmen. Würde man den Schwarzen Kontinent sich selbst überlassen, so die notwendige Schlußfolgerung, gäbe es auch keine Probleme. Dieser Griff in die Mottenkiste antikolonialistischer Argumentation hat zwar die Mehrheit der alten, weißen Leute hinter, aber keine Wahrscheinlichkeit für sich.

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Es gehört zu den Rätseln des menschlichen Daseins, in welchem Maß die Gabe dem einen zum Nachteil, der Mangel dem anderen zum Vorteil gereicht.

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Was immer man gegen die alte Kriegsflagge der Konföderierten sagen mag, es spricht für sie ihre schöne Gestaltung mit dem roten Tuch, darauf das weiß gefaßte blaue Andreaskreuz und die weißen Sterne. Eine Feststellung, die auch sonst bei nostalgischen Wahrnehmungen des Südens eine Rolle spielt: nicht die politische Sympathie ist ausschlaggebend, sondern das ästhetische Urteil.

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Hauptfiguren sind Hauptfiguren, und Nebenfiguren sind Nebenfiguren. Dabei sollte man es belassen.

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Zu den Merkwürdigkeiten einer „internationalen“ Zeitung wie Le Monde diplomatique gehört, daß sich die nationalen Ausgaben durchaus unterscheiden. So im Fall der Juni-Nummer, die in Frankreich mit einem Leitartikel über den Rechtsruck des europäischen Parteienspektrums beginnt, den man interessanterweise auf die Resignation der Arbeiterschaft und die Repolitisierung der bürgerlichen Schichten zurückführt, die wieder vermehrt zur Wahl gehen, vor allem um ihren Unmut über Masseneinwanderung und den Verfall der inneren Sicherheit zum Ausdruck zu bringen. Das Dossier behandelt die Konjunktur von Verschwörungstheorien. Dabei spielt selbstverständlich das Netz eine wichtige Rolle, aber das Tempo, in dem sich neue Komplottbehauptungen verbreiten, erklärt nicht alles. Nach Meinung der Autoren ist als Ausgangspunkt eindeutig der Anschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center zu betrachten, was auch den inneren Zusammenhang von Verschwörungstheorien, Islamismus und Antisemitismus erkläre, weiter müsse beachtet werden, daß die regelmäßige Aufdeckung von breitangelegten Täuschungsmanövern, an denen Regierungen oder Unternehmen beteiligt sind, gerade bei gebildeten Menschen den begründeten Verdacht wecke, systematisch getäuscht zu werden.

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Über Napoleon bemerkte Charles Joseph de Ligne: „Er hat etwas Vornehmes, Großes und Erhabenes an sich, etwas Mittelmäßiges und Gewöhnliches, etwas von Karl dem Großen, Mohammed und Cagliostro.“ Über Friedrich den Großen: „Ich glaube nicht, daß, wie es heißt, beim Tode Caesars die Erde gebebt und die Sonne sich verfinstert habe, denn in der Sterbestunde des großen Preußenkönigs geschah nichts dergleichen.“

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 17. Juli in der JF-Ausgabe 30/15.