© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/15 / 03. Juli 2015

„Bedauerlicherweise sind wir bankrott“
Eurokrise: Der Journalist Johann Legner beleuchtet die Hintergründe der Griechenland-Rettung / Vertrauensverlust der Bürger in die politische Klasse
Jörg Fischer

In einem läßt sich Ulrike Herrmann seit fünf Jahren von niemandem im politisch-medialen Berlin überbieten: Griechenland muß gerettet und die Eurozone zusammengehalten werden – koste es, was es wolle. Die Wut darüber, daß die „Euro-Rettung“ zunächst darin bestand, daß faktisch die Steuerzahler der Eurozone die faulen Geldmarktpapiere von Finanzinvestoren aus Amerika, aus England, Frankreich oder Deutschland übernahmen, sei zwar „verständlich“, gesteht die taz-Wirtschaftsredakteurin in ihrem Buch über den „Sieg des Kapitals“ (Westend Verlag 2013) ein.

Doch eine „seltsame Allianz zwischen konservativen Ordoliberalen und linken Kapitalismuskritikern“ verstehe nicht, daß bei einem Grexit ein noch größeres Chaos als bei der Lehman-Brothers-Pleite 2008 drohe. Eine Lösung hat die ausgebildete Bankkauffrau auch parat: „Man muß ein Konjunkturpaket für den Süden auflegen. Griechenland, Portugal und Spanien benötigen Hilfe, um Arbeitslosigkeit, Armut und Hoffnungslosigkeit zu bekämpfen. Diese Unterstützung könnte sich die Eurozone mühelos leisten“, so Herrmann.

Euro-Rettung wegen Banken und Geopolitik?

Ein Kontrastprogramm zu Herrmanns rosarotem Szenario liefert Johann Legner, der seine Journalistenlaufbahn 20 Jahre vor Herrmann bei der taz begann. 1980 bürstete das Berliner Blatt noch wirklich gegen den Strich – und etwas von dieser „alternativen“ Haltung von damals hat sich der 60jährige Diplom-Politologe bezüglich der Eurokrise bewahrt. Das ist erstaunlich für jemanden, der einst als Mitarbeiter der FDP-Politikerin Cornelia Schmalz-Jacobsen oder Pressesprecher und Biograph von Joachim Gauck sein Geld verdient hat.

In seinem Buch „Grexit – Was uns die Griechenland-Lüge kostet“ beleuchtet Legner die Hintergründe. Allein schon sein historischer Rückblick offenbart, daß die Rettungsmilliarden verloren sind. Dabei zeigt Legner durchaus Verständnis für die wechselvolle Geschichte Griechenlands, das seit dem Abschütteln des osmanischen Jochs vielfältige Krisen durchlief. Allein im 19. Jahrhundert gab es drei Staatspleiten: Nach 1827 und 1843 mußte auch Ministerpräsident Charilaos Trikoupis 1893 eingestehen: „Bedauerlicherweise sind wir bankrott.“

Das hätte spätestens 2010 auch der sozialistische Premier Giorgos Papandreou tun müssen – doch Griechenland durfte seine Schulden nicht durch einen einfachen Staatsbankrott loswerden, denn dies hätte in mehreren Euro-Mitgliedsstaaten „die mühsamen Versuche zur Bankenrettung in Frage gestellt“, so Legner. Auch Papandreous konservativer Nachfolger Andonis Samaras durfte nicht die Reißleine ziehen.

Die vorgezogenen Neuwahlen brachten im Januar allerdings eine ungewöhliche Koalition ans Ruder: Ob mit der – auf deutsche Verhältnisse übersetzt – Linken-AfD-Regierung nun das „Endspiel“ begonnen hat? „Griechenland ist kein handlungsfähiger Partner mehr“, konstatiert Legner, „das Land ist so pleite, daß es weiterer massiver Hilfszahlungen bedarf“. 

Ob all diese Investitionen, um „das Land stabil und im westlichen Bündnis zu halten“, allein Deutschland bislang 33 oder 100 Milliarden Euro kostete, sei noch nicht genau bezifferbar, gesteht Legner ein. Der Vertrauenverlust der Bürger in die politische Klasse sei hingegen schon jetzt gewaltig – „europaweit und nachhaltig“.

Die Niedrigzinspolitik werde auch nach einem möglichen Grexit bleiben. Und die Sparer warnt Legner schon einmal prophylaktisch vor: „Spareinlagen werden bei einer wie auch immer gearteten Geldreform deutlich abgewertet.“ Für Ulrike Herrmann ist die Rettung Griechenlands in der Eurokrise dennoch – „spottbillig“. 

Johann Legner: Grexit – Was uns die Griechenland-Lüge kostet. CBX Verlag, München 2015, 272 Seiten, gebunden, 19,95 Euro