© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/15 / 03. Juli 2015

„Miniröcke könnten zu Mißverständnissen führen“
Bayern: Weil Asylbewerber in einer Schulturnhalle untergebracht werden, erteilt der Rektor des Gymnasiums den Schülern Ratschläge für eine angemessene Kleidung
Sebastian Fischl

Die Schüler des Wilhelm-Diess-Gymnasiums im niederbayerischen Pocking dürfen in den vergangenen Wochen des ausklingenden Schuljahrs nicht nur auf ihre Sporthalle verzichten. Auch Tips zur Kleiderordnung gibt es neuerdings vom Schulleiter des Gymnasiums Martin Thalhammer. 

Der Grund sind zweihundert syrische Flüchtlinge, die demnächst in der Dreifachturnhalle der Schule untergebracht werden. In einem Elternbrief, der der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, informierte die Schulleitung über die neuen Umstände am städtischen Gymnasium. So handele es sich nur um eine vorübergehende Unterbringung, die mit Beginn des kommenden Schuljahres wieder aufgelöst werde. Der Sportunterricht finde künftig in der Sporthalle der Pockinger Grundschule statt, Tischtennisplatten und der Beach­volleyballplatz könnten aber auch während der Flüchtlingsunterbringung genutzt werden. 

Dann aber beginnt Thalhammer mit Maßregelungen, welches „Verhalten gegenüber den Asylbewerbern angebracht“ sei: Da es sich bei den syrischen Flüchtlingen mehrheitlich um sunnitische Muslime handele, die stark von ihrer Kultur geprägt seien, sollte auch auf dem nahe gelegenen Schulgelände „zurückhaltende Alltagskleidung angemessen“ sein, „um Diskrepanzen zu vermeiden“, heißt es wörtlich in dem Elternbrief. „Durchsichtige Tops oder Blusen, kurze Shorts oder Miniröcke könnten zu Missverständnissen führen“, präzisiert die Schulleitung. 

Was der Schulrektor mit den „Diskrepanzen“ und „Mißverständnissen“ meint, läßt er unausgesprochen. Ganz wohl scheint Thalhammer allerdings nicht bei der Sache zu sein, stellenweise liest sich der Text geradezu alarmistisch.„Den Asylbewerbern ist der Zutritt zum Schulgarten und Schulgebäude grundsätzlich untersagt“, verspricht er. Außerdem würde die Lehrerpräsenz während der Pausen erhöht, eine absolute Einhaltung der Vorgaben sei unabdingbar. Die Sorge, daß leichtbekleidete Schülerinnen zum Hingucker für männliche Asylbewerber werden könnten, kann Thalhammers Brief jedenfalls kaum verschleiern. „Anglotzen“ und „Begaffen“ beschreiben allerdings genau das Verhalten, das der Direktor ironischerweise seitens der Schüler zu befürchten scheint. Dieses sei unbedingt zu vermeiden. „Bitte respektiert die Menschenwürde. Abfällige oder rassistische Äußerungen können in keinster Weise geduldet werden.“

Das Telefon steht nicht mehr still

Im Internet entlädt sich seitdem ein Sturm der Entrüstung über angebliche „Scharia-Schulregeln“, wie der islamkritische Blog Politically Incorrect schreibt. Gleich mehrfach verbreiteten dessen Macher die Kontaktadresse des Schulleiters, um Protestanrufe in die Wege zu leiten. Eine AfD-Stadträtin aus dem pfälzischen Landau forderte den Schulleiter sogar zum Rücktritt auf, weil dieser „Gesetze des Grundgesetzes brechen und abschaffen“ wolle. 

Daß das Telefon des Gymnasiums nicht mehr stillsteht, kann man in Pocking derweil nicht nachvollziehen. Den Aufruhr hält Thalhammer für ein großes Mißverständnis. „Es gab nie Kleidervorschriften an dieser Schule, und es wird auch künftig keine geben“, beschwichtigte er die besorgten Eltern am Freitag vergangener Woche in der Passauer Neuen Presse. „Es war mir ein Anliegen, die Eltern und Kinder zu sensibilisieren, daß hier zwei Kulturen zusammenkommen.“ Er habe die Fürsorgepflicht für die Kinder. Deshalb wollte er alle umfassend informieren, was sich an der Schule tue und wofür man die Turnhallen brauche. „Alle stehen dahinter. Und ich bin sicher: Hätten wir nicht auf diese besondere Situation hingewiesen, wäre das falsch gewesen.“ Wirklich alle scheinen es in Pocking dann allerdings doch nicht zu sein. Der Onkel einer Schülerin des Wilhelm-Diess-Gymnasiums machte seinem Ärger in der lokalen Presse Luft: „Flüchtlinge sind hier zu Gast und sollen halt wegschauen. Wo kommen wir denn da hin?“

Die 20 Kilometer südlich von Passau liegende Stadt mit knapp 15.000 Einwohnern wird nicht das erste Mal für die Unterbringung von Asylbewerbern genutzt. Anfang des Jahres hatte das Landratsamt Passau knapp 26 Wohnungen eines Hochhauses angemietet, in dem 90 Flüchtlinge seit Februar Tür an Tür mit den restlichen Mietern wohnen. Auch sie entstammen allesamt mehrheitlich aus heute muslimischen Ländern, davon allein 35 aus Albanien. Von Frankreich wird das Land bereits seit längerem als sicheres Herkunftsland eingestuft, ein entsprechender Versuch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion scheiterte im vergangenen Jahr jedoch an der rot-grünen Bundesratsmehrheit.

Das Dreiländereck um Passau verzeichnet in jüngster Zeit einen drastischen Anstieg der illegalen Einwanderung. So verdoppelt sich die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen seit Jahresbeginn monatlich. Passaus Landrat Franz Meyer hatte deshalb mit einem Aufnahmestopp gedroht. „Bis Jahresende werden wir die Zweitausender-Marke übersprungen haben.“