© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/15 / 03. Juli 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Gezeter um den Sonderermittler
Christian Schreiber

Rechtzeitig zum Ferienbeginn hat das politische Berlin seinen Sommerlochfüller gefunden. Die amerikanische Regierung weigert sich, im Zuge der Aufklärung der sogenannten NSA-Affäre einen Sonderermittler zu akzeptieren. Die Bundesregierung verwehrt dem Untersuchungsausschuß des Parlaments Einsicht in die Selektorenliste mit den möglichen Spionagezielen der NSA. Sie argumentiert, daß auch politischer Druck nicht dazu führen dürfe, Staatsgeheimnisse zu verraten. Um den Amerikanern entgegenzukommen, hatte die Bundesregierung daher vorgeschlagen, daß nur eine Vertrauensperson die Liste einsehen darf und diese anschließend dem Bundestag berichtet. In der Kritik stehen die Vereinigten Staaten vor allem, weil der Verdacht geäußert wurde, es seien systematisch europäische Firmen und Politiker ausspioniert worden. 

Bereits die Person des Sonderermittlers war in Berlin heftig umstritten, sogar der ehemalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) war im Gespräch. Mittlerweile scheint der ehemalige Richter am Bundesverwaltungsgericht Kurt Graulich der Favorit zu sein. Doch auch hiergegen wehren sich die Amerikaner. Ihnen wäre es am liebsten, wenn die Differenzen ausschließlich auf Regierungsebene diskutiert würden. Außerdem berichtete die Bild, die NSA erwäge ein Ende der Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst (BND). Als Ersatz für die bislang genutzte BND-Abhörstation im bayerischen Bad Aibling werde ein Standort in Polen in Betracht gezogen.

Der Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist die Angelegenheit ziemlich unangenehm. Sie ist peinlich darauf bedacht, den Partner nicht zu verprellen, spürt aber den heißen Atem der Opposition im Nacken. Und den der SPD. Als besonders wortgewaltig präsentierte sich dabei der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner. Den Verzicht auf den Sonderermittler können und werden wir nicht akzeptieren“, sagte er der Welt, und legte noch nach: „Wenn die Amerikaner das nicht wollen, besteht um so mehr die Notwendigkeit, die Sache in Deutschland zu entscheiden. Ein Verzicht läßt unsere Verfassungsordnung wackeln. Der amerikanische Kongreß würde seiner Regierung eine ablehnende Haltung niemals durchgehen lassen.“ 

Im hohen Norden der Republik, wo die Menschen in der Regel eher für vornehme Zurückhaltung bekannt sind, ging es noch vor Beginn der Hitzewelle besonders heiß zur Sache. FDP-Lautsprecher Wolfgang Kubicki sprang seinem Landsmann Stegner zur Seite. „Die Bundesrepublik muß jetzt hart bleiben, ansonsten etabliert sie sich als Vasallenstaat.“  Es sei „völlig inakzeptabel“, die Erfüllung verfassungsrechtlicher Pflichten der Regierung gegenüber dem Parlament „von der Zustimmung einer ausländischen Macht abhängig zu machen, befreundet oder nicht“. Das Auftreten der Regierung nannte Kubicki heuchlerisch, der Sonderermittler sei ohnehin zuwenig. „Ich habe den Eindruck, daß in Berlin Angsthasen am Werk sind“, höhnte der FDP-Politiker. Fortsetzung folgt bestimmt. Schließlich haben die Ferien noch gar nicht richtig begonnen.