© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/15 / 26. Juni 2015

Immer mehr deutsche Milchbauern sind existentiell bedroht
Abgemagert
Jörg Fischer

Da schnappt sich der Putin die Krim, und der Milchbauer bei uns im Landkreis Cham bekommt es im Geldbeutel zu spüren“, so faßte kürzlich Karin Bucher (Freie Wähler), Bürgermeisterin der oberpfälzischen Stadt, den dramatischen Preiseinbruch auf dem Jahrestreffen der örtlichen Molkereigenossenschaft zusammen. Hinzu kommt das Ende der EU-Milchquote (JF 14/15) und der Exporteinbruch Richtung China.

Momentan erhalten die Landwirte 26 bis 30 Cent pro Liter, die Rentabilitätsschwelle liegt aber bei mehr als 40 Cent. Für 51 Cent steht das Tetrapak derzeit im Supermarkt – und öfters sogar mit dem Kürzel PL oder CZ versehen, denn polnische und tschechische Produzenten suchen ebenfalls händeringend neue Absatzmärkte, was den Milchpreis zusätzlich drückt. Käsepreise um zwei Euro pro Kilo sind eine weitere Katastrophe. Die Politik und die Großverbände lassen die Milchbauern im Stich. Die EU-Außenminister verlängerten die Sanktionen, Moskau hält im Gegenzug sein Agrarimportverbot aufrecht. Zwei Drittel der deutschen Großkonzernmanager unterstützen laut einer Roland-Berger-Umfrage die Sanktionspolitik, schließlich ist das Exportvolumen Richtung USA mit 96 Milliarden Euro mehr als dreimal so groß wie das Richtung Rußland. Da spielen die 1,6 Milliarden Euro, die die deutsche Agrarbranche bislang in Rußland einnahm, scheinbar keine Rolle – oder wie es die EU-Kommission ausdrückt: Die Auswirkungen seien „relativ klein und handhabbar“.

Das Wiener Wirtschaftsinstitut Wifo ist da weniger optimistisch: Die EU-Landwirtschaft erleide bei anhaltenden Sanktionen Einbußen von 4,3 Prozent. In der deutschen Landwirtschaft stehen 255.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Das Freihandelsabkommen TTIP wird das kaum ausgleichen: „Dann kommt die Milch für den heimischen Markt aus den USA, einschließlich Gentechnik und Hormonen“, befürchtet Stefan Mann vom Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM).