© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/15 / 26. Juni 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
In nur 15 Minuten
Marcus Schmidt

Es geht um knapp 15 Minuten. Ein Zeitraum, der am Ende über das politische Schicksal von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, ja vielleicht der Großen Koalition entscheiden könnte. Und der das Vertrauen der Bürger in die Politik erschüttern könnte. Nämlich dann, wenn herauskommt, daß der Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy über die Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts des Besitzes von Kinderpornographie gewarnt wurde. 

Ob das so war, oder aber ob zumindest die SPD-Spitze frühzeitig aus Polizei- oder Justizkreisen über das Verfahren informiert war, versucht seit einem Jahr ein Untersuchungsausschuß des Bundestages zu ergründen. Hierzu hatte das Gremium in der vergangenen Woche neben Oppermann auch SPD-Chef Sigmar Gabriel, den früheren SPD-Fraktionschef  Frank-Walter Steinmeier und Ex-Landwirschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) geladen. Dieser mußte im Februar 2014 zurücktreten, nachdem bekanntgeworden war, daß er im Oktober 2013 als  Innenminister Gabriel über die Ermittlungen gegen Edathy informiert hatte.

Und genau um diesen Tag, den 17. Oktober 2013, ging es in der 13stündigen Ausschußsitzung in der vergangenen Woche. Oder genauer: um die Viertelstunde zwischen dem Abschluß der damaligen Sondierungsgespräche zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD am Nachmittag und dem Anruf des damaligen Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfraktion Oppermann bei BKA-Präsident Jörg Ziercke, bei dem er sich nach dem „Fall Edathy“ erkundigt hatte. Für die CDU/CSU liegt in diesen Minuten zwischen 15.15 Uhr und 15.29 Uhr die vermutlich letzte Chance, in der Kinderporno-Affäre Edathys zumindest Revanche für den Rücktritt Friedrichs (CSU) zu nehmen.

Denn die Union vermute, daß die SPD-Spitze nicht erst am besagten 17. Oktober 2013 über die Ermittlungen gegen Edathy informiert wurde, sondern schon früher Bescheid wußte. Der Fokus richtete sich dabei schnell auf Oppermann, der wie Edathy aus Niedersachsen stammt. Der Verdacht: Aus der niedersächsischen Justiz könnten Informationen zu Oppermann und damit zur SPD-Spitze gelangt sein. Als Beleg für diese These könnten die ominösen 15 Minuten dienen. Und so versuchte die Union im Untersuchungsausschuß nachzuweisen, daß Gabriel, der während der Sondierungsgespräche von Friedrich informiert worden war, Oppermann in der kurzen Zeitspanne zwischen dem Ende der Gespräche und seinem Telefonat mit Ziercke, nicht informieren konnte. Trotzdem war Oppermann im Bilde, glaubt die Union. Das zeige sein Anruf beim BKA. Durch den Auftritt Gabriels in der vergangenen Woche konnten sich CDU/CSU in ihrem Verdacht bestätigt fühlen. Doch Oppermann wies sämtliche Mutmaßungen weit von sich. 

Am kommenden Mittwoch muß er erneut vor dem Ausschuß aussagen. Dann wird die Union vermutlich ein letztes Mal versuchen, Oppermann festzunageln – und dieser wird alles daransetzen, seine politische Haut zu retten.