© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/15 / 19. Juni 2015

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Der Mann ist einfach unglaublich. Zwar bewegt er sich mit seinen bald 64 Jahren und einem Rückenleiden nicht mehr wie ein Jungspund über die Bühne. Aber mit seiner Aura und vor allem seiner Stimme weiß Rob Halford, Sänger der britischen Heavy-Metal-Band Judas Priest, immer noch zu überzeugen. Seit über vierzig Jahren singt und schreit er sich über vier Oktaven hinweg die Seele aus dem Leib. Die Metal-Urgesteine brachten vorige Woche die Arena in  Berlin-Treptow zum Kochen. „Metal Gods“, „Breaking the law“, „Painkiller“ – ein Klassiker folgte dem anderen; dazwischen gab es einige Stücke von ihrem jüngsten Album „Redeemer of Souls“ (JF 30/14). Der Spaßfaktor war enorm hoch. Headbangen als Offenbarung. Wie sagte doch ein Freund am Tag vorher? „Ich gehe morgen nicht auf ein Konzert. Ich gehe zum Gottesdienst.“

Gespräch mit ebenjenem jungen U-30-Freund über den sichtbaren Altersdurchschnitt der Konzertbesucher. Wie zur Bestätigung passend dazu schlendert just in diesem Moment ein Fünfzig-ist-das neue-Dreißig-Typ an uns vorbei, auf dessen schwarzem T-Shirt der orangefarbene Aufdruck steht: „Ich verachte Jugendliche“.

Aufgeschnappt in der Warteschlange zum stillen Örtchen: „Übrigens, ich lese Kunstzeitschriften.“ – „Ach ja? Ich lese den Metal Hammer auch.“

Sommerlektüre, soeben frisch von Kiepenheuer & Witsch, Köln, ausgeliefert: Jean-Luc Bannalecs „Bretonischer Stolz“. In seinem vierten Fall ermittelt der vor Jahren aus Paris strafversetzte, eigensinnige Kommissar Georges Dupin erneut im Finistère in der Bretagne. In der Verlagswerbung ist davon die Rede, daß die Spuren zu keltischen Brudervölkern, einer Sandraub-Mafia und rätselhaften Druiden-Kulten führen. In Belon, dem Mekka der Austern an der Atlantikküste, verschwindet eine Leiche, im gebirgigen Hinterland der Monts d’Arrée taucht dafür eine zweite auf ... Neben dem Fall an sich sind es aber vor allem wieder die liebevollen Beschreibungen von Land und Leuten, die den hohen Reiz dieser Bände ausmachen. „Der urtümlich keltische märchenhafte Eichenwald wich einer sanft geschwungenen Wiese, versehen mit Dutzenden von frischen Maulwurfshügeln, die nach schwerer Erde rochen, und vereinzelten Apfelbäumen (…) harmonische Formen, friedlich, beschaulich, ganz anders als die harschen Klippen, die Gewalt des Ozeans. So verschiedene Landschaften, so nah beieinander.“ – So, und ich muß dann jetzt mal weg. Zwei Wochen in die Bretagne.