© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/15 / 19. Juni 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Schrecken ohne Ende
Marcus Schmidt

Zunächst die gute Nachricht. „In den zurückliegenden zwei Wochen ist es nach den bisherigen Feststellungen des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Bundestagsverwaltung zu keinen Datenabflüssen mehr gekommen“, berichtete Bundestagspräsident Norbert Lammert  (CDU) in der vergangenen Woche den Parlamentariern. Und ließ sogleich eine Warnung folgen: „Das bedeutet nicht, daß der Angriff endgültig abgewehrt und beendet wäre.“

Der Hacker-Angriff auf das Computer-Netz des Bundestages hält das Parlament auch mehr als fünf Wochen nach Beginn (JF 22/15) immer noch in Atem. Konsequenzen und Kosten sind mehr denn je ungewiß. Immer deutlicher wird dagegen, daß der Angriff vermutlich nicht auf das Konto von Kriminellen geht, sondern von einem ausländischen Geheimdienst geführt wird. Das könne nach Ansicht von Experten des Chaos-Computer-Clubs  (CCC) aus der „sehr aufwendigen“ Struktur der eingeschleusten Software geschlossen werden, schreibt der Tagesspiegel. 

Welche Dimension der Angriff aus dem Internet mittlerweile erreicht hat, wurde am Wochenende deutlich. Die Bild am Sonntag berichtete, daß auch ein Rechner von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betroffen sei. Der Computer in ihrem Bundestagsbüro sei einer der ersten gewesen, auf dem der Trojaner nachgewiesen worden sei, berichtete die Zeitung unter Berufung auf ungenannte Quellen. Ob Daten von diesem Gerät gestohlen wurden, ist bislang nicht bekannt.

Daß es soweit überhaupt kommen konnte, schreiben die Computer-Experten dem unprofessionellen Umgang des Bundestages mit seinem Datennetz Namens „Parlakom“ zu. So sensible Daten wie die eines nationalen Parlaments erforderten sowohl technisch als auch bei der Abwehr von Hackerangriffen mehr Professionalität, sagte CCC-Sprecherin Constanze Kurz dem Tagesspiegel. Das Parlament könne „viel mehr tun“, um sein Netz sicherer zu machen. Kurz forderte den Bundestag auf, ein „Abwehrkonzept“ zu erstellen.

In diesem Zusammenhang entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, daß der Bundestag ausgerechnet in der vergangenen Woche das IT-Sicherheitsgesetz beschlossen hat. Mit dem Regelwerk „zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme“ werden die Betreiber „kritischer Infrastrukturen“ in Deutschland verpflichtet, künftig einen Mindeststandard an IT-Sicherheit einzuhalten. Nicht wenige in Berlin wünschen sich, daß das Parlament künftig als leuchtendes Beispiel vorangeht.

Zunächst einmal gilt es aber, den Angriff auf den Bundestag endgültig abzuwehren und die dabei entstandenen Schäden zu beseitigen. Das kann nach Schätzungen der Experten Wochen, wenn nicht gar Monate dauern. Unterdessen hat das auch den Generalbundesanwalt auf den Plan gerufen. Dieser prüfe derzeit, „ob ein Anfangsverdacht für eine in die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft fallende Straftat gegeben ist“, teilte Lammert den Abgeordneten mit.