© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Bügeln ist das neue Yoga
Beim evangelischen Männer-Bügeltreff „Iron Men“: Wenn der Dampf aus dem Eisen steigt, glätten sich auch die Gedanken
Ansgar Lange

Der moderne Mensch ist zerrissen. Er hat Schwierigkeiten, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Der Blick und die Aufmerksamkeit schweifen leicht ab und werden von schnellen Reizen (Smartphone, Surfen im Internet etc.) gefangengenommen. Und nebenbei muß ja auch noch die Arbeit im Büro erledigt werden.

Viele Zeitgenossen ächzen unter dieser Reizüberflutung und Aufgabenfülle. Wenn dann noch die nervige Hausarbeit ansteht, befinden sich etliche am Rande des Nervenzusammenbruchs. Auch der Autor dieser Zeilen hat das Bügeln bis vor kurzem für eine zeitraubende und unbefriedigende Angelegenheit gehalten und sie gern an andere delegiert. Bis er aus der Not heraus – er mußte bügeln, es war nicht ein Hemd mehr im Schrank – zu der Erkenntnis kam: Bügeln ist aktive Meditation. Das immer gleiche Glätten der Hemden entspannt wunderbar und wirkt wie ein Ritual. Bügeln als Entspannungstechnik: Wer braucht da noch autogenes Training, Yoga, Tantra, Tai Chi und wie der neumodische Kram heißt?

Um die spirituelle Dimension weiß nun offensichtlich auch die evangelische Kirche, die sich in unseren Breitengraden ja vor allem auf die Verkündigung der unfrohen politischen Botschaft spezialisiert hat. Für die Verbreitung und Festigung des Glaubens bleibt im quasi verbeamteten deutschen Kirchensteuersystem kein Platz mehr. Wohl aber für einen Männer-Bügeltreff. „Iron Men" nennt sich nämlich eine Gruppe von Herren kurz vor dem Rentenalter, die sich einmal im Monat bei der evangelischen Kirche in Frankfurt-Griesheim trifft – zum Plauschen und gemeinschaftlichen Bügeln.

Während die evangelische Kirche sonst mit dem Zeitgeist auf du und du steht, wird hier strenge Trennung von Weib und Mann praktiziert; quasi wie beim Beten in der Moschee. Denn wenn die Männer unter den Augen von Mutter Kirche an die Bügelwäsche wollen, sind Frauen nicht gern gesehen. Der dressierte Mann von heute darf schon nicht mehr im Stehen pinkeln. Da wollen sich die „Iron Men" aus dem Hessischen zumindest beim Glätten und Plätten der Wäsche nicht von einer Domina das heiße Eisen führen lassen. Ein Mitglied dieser Bügel-Oase bringt es auf den Punkt: „Frauen, die häufiger bügeln, haben einen gewissen Dogmatismus."

Und ein weiteres Mitglied dieser Gruppe wurde von einer überregionalen Tageszeitung mit den Worten zitiert: „Meine Frau hat mir nur meine Hemden mitgegeben. Sie ist Krankenschwester. An ihre Arbeitskittel und Blusen darf ich noch nicht ran." Über diese Sätze von so schöner Lakonie ließe sich lange philosophieren. Was sagt der Frankfurter Bügeltreff über das Verhältnis von Frau und Mann aus? Frauen verweigern sich zunehmend dem männlichen Zugriff; sogar beim Bügeln ist der Griff an die weibliche Bluse tabu.

Bügeln leert den Kopf
und den Wäschekorb

Und angesichts der wissenschaftlichen Einschätzung des Ganzen durch die Familiensoziologin Corinna Onnen von der Universität Vechta fühlt man sich unweigerlich an Loriot erinnert. Wenn für Männer, die in einer Partnerschaft mit althergebrachter Aufgabenverteilung leben, das Berufsleben und damit die bisherige Hauptaufgabe ende, suchten sie sich etwas Neues. Manche fänden den Weg in einen Sportverein oder in eine Skat- und Schachgruppe – andere wiederum in den Bügelclub. Hierbei handelt es sich quasi um einen Akt der Emanzipation. Denn die Hausarbeit (Bügeln) gehörte zuvor in einer Ehe mit klassischer Rollenverteilung zur Domäne der Frau.

Daß die bügelnden Buben gleichsam Pionierarbeit verrichten, belegt eine Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2012. Damals behaupteten nämlich 90 Prozent der Männer, sie könnten weder waschen noch bügeln. Dabei ersetzt nach einer anderen Studie, über welche die Frauenzeitschrift Brigitte berichtete, das Bügeleisen den Liebesbrief. Wenn Männer freiwillig zu diesem Instrument griffen, sei das ihre Art, „ich liebe dich" zu sagen.

Der bügelsüchtige Autor dieser Zeilen braucht für sein Handwerk weder den Segen der Kirche noch die Expertise von Frau Onnen, die als Professorin für Gender Studies und Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft für Frauen- und Geschlechterforschung Niedersachsen firmiert. Er handelt schlicht nach der Devise: Bügeln leert den Kopf und den Wäschekorb gleichermaßen.