© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Dorn im Auge
Christian Dorn

Licht aus, Spot an! Das legendäre Motto der ZDF-Show „Disco" von Ilja Richter wird diesmal nicht von den Protagonisten zitiert, dennoch trifft es zu, um auf die Hommage an Georg Kreisler hinzuweisen, die als Konzertabend unter dem Titel „Liebeslieder am Ultimo" im Schloßpark-Theater in Berlin-Steglitz aufgeführt wird (18. bis 23. Juni). Auf seltsame Weise gehen hier für mich historische und biographische Reflexionen durcheinander. Als Kind in der eingemauerten DDR sah ich die Sendung mit dem schlaksigen, schalkhaften Ilja Richter zu Hause im Schwarzweiß-Fernseher, und zugleich war es unendlich entfernt. Jahrzehnte später, kehrte ich gegen Mitternacht in der Fußballkneipe nebenan ein, um noch ein Bier zu trinken. Der einzige Gast außer mir, der offenbar genauso einsam wie ich an seinem Tisch saß, war der Sänger, Schauspieler und Moderator Ilja Richter. Es war zu surreal, als daß ich ihn bei dieser Gelegenheit angesprochen hätte.

Im Flur des Schloßpark-Theaters, wo einst Samuel Becketts „Warten auf Godot" seine deutsche Erstaufführung erlebte, hängen an der Wand Plakate und Fotos historisch bedeutsamer Theaterabende, so auch eine Schwarzweiß-Aufnahme von Martin Held und dem damals 13jährigen Ilja Richter in Arkady Leokums Zwei-Personen-Stück „Freunde und Feinde" im Jahr 1966. Darauf ist eine handschriftliche Botschaft von Martin Held: „Lieber Ilja, hab sehr herzliche und gute Wünsche für die Zukunft (...)". Diese ist es auch, in der der vom „Dichterkomponistchansonnierpianist" Georg Kreisler (1922–2011) noch zu Lebzeiten konzipierte Liederabend mit Ilja Richter nun endlich auf die Bühne kommt. Zusammen mit Barbara Kreisler-Peters, Kreislers vierter und letzter Ehefrau, begleitet von der Klaviervirtuosin Sherri Jones, inszeniert das Trio eine fulminante Achterbahnfahrt durch die aberwitzigen, verlogenen und sentimentalen Abwege der Liebe, etwa: „Man hofft auf keine Kinder / und spendet für die Inder." Oder die unbefriedigte Nonne: „Nur der Bischof sieht nicht, welche Vorzüge ich habe, / nun ja, ich bin kein Knabe."

Da die Gedanken völlig frei sind, folgen sie nicht den politisch Überkorrekten, weshalb auch die Existenz des „flötenspielenden Negers" verteidigt wird. Berlins farbloser Regierender Bürgermeister Michael Müller ist mit seiner Frau erschienen und vernimmt dies ebenso wie das Fazit: „Ein Politiker hat keine Liebe, / er hat eine Frau". Und Richter wünscht, frei nach Kreisler: „Wenn der Putin sich ergibt, / weil die Merkel ihn nicht liebt."