© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/15 / 05. Juni 2015

Die heile Welt der staatlichen Preisstabilität
Spielraum für Manipulation
Philipp Bagus

Feierstimmung überall. Die Eurokrise ist verdrängt, die Wirtschaft wächst, das Schreckgespenst der Deflation bezwungen, die Aktienmärkte erklimmen Rekordstände. Und die Preise sind stabil – so hört man. Die Krisenpolitik der Notenbanken scheint von überragendem Erfolg gekrönt zu sein. Doch sind die Preise wirklich stabil? Gibt es überhaupt ein Interesse an einer objektiven Messung der Preisveränderung? Wer mißt die Preisstabilität und damit den „Erfolg“ der staatlichen Notenbanken?

Es sind die Statistik­ämter, die die Einhaltung der Preisstabilität bescheinigen. Das ist ungefähr so, als würde der Trainer Usain Bolts dessen Sprintleistungen messen und ihm fortwährend neue Weltrekorde bescheinigen. Der Interessenkonflikt ist offensichtlich. 

Doch gibt es überhaupt einen Spielraum für eine Manipulation der Teuerungsrate? Die offizielle Inflationsrate wird anhand eines Warenkorbs gemessen. Dessen Güterpreise werden am Anfang und Ende der Periode festgestellt und eine prozentuale Veränderung berechnet. Da festgelegt werden muß, welche Güter in den Warenkorb kommen und wie sie gewichtet werden, ist Manipulationen Tür und Tor geöffnet.

Es gibt auch spezielle Tricks. So werden mittels hedonischer Preise Qualitätsänderungen berücksichtigt und die Teuerungsrate nach unten korrigiert. Ist das neue iPad beispielsweise 20 Prozent schneller, aber genauso teuer wie sein Vorgänger, so rechnen die Statistiker 20 Prozent Preissenkung in den Warenkorb ein, obwohl der Preis gar nicht gefallen ist. Damit kann die Teuerung anderer Güter kompensiert werden.

Eine andere gängige Methode ist es, die Gewichtung von Gütern im Warenkorb, die schneller im Preis steigen, zu senken und die Gewichtung von Gütern, die langsamer steigen, zu erhöhen. Kein Witz. Das plumpe Vorgehen wird wissenschaftlich mit dem sogenannten Substitutionseffekt begründet. Denn wenn Butter 100 Prozent im Preis steigt, Margarine aber nur zwei Prozent, wird weniger Butter und mehr Margarine gekauft. Diese Annahme ist wahrscheinlich, das ändert aber wenig daran, daß sich der Butterpreis verdoppelt hat.

Einige Preise werden bei der Teuerungsrate nicht berücksichtigt, etwa die Vermögenspreise. Gerade die Preise von Aktien, Anleihen und Immobilien sind dank der Nullzinspolitik der Notenbanken in die Höhe geschossen. Denn das neu geschaffene Geld fließt derzeit vor allem in die Vermögenspreismärkte, wo die Preise alles andere als stabil sind.

Schizophren ist die Warnung Janet Yellens, Präsidentin der US-Notenbank Fed, die Aktienkurse seien doch recht hoch. Das ist so, als ob ein Brandstifter, der Feuer an ein Haus legt, die Bewohner warnt, die Temperaturen seien doch recht hoch. Schlägt der Schwelbrand von den Finanzmärkten auf die Realwirtschaft über, könnte es bald vorbei sein mit der Feierstimmung, auch an den Börsen.