© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/15 / 05. Juni 2015

Ausnahmezustand im Angesicht der Alpen
G7-Gipfel: Vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs im bayerischen Elmau sind die Sicherheitsbehörden in Alarmbereitschaft
Lion Edler

Eigentlich beginnt der G7-Gipfel erst am Wochenende, doch Streit um die Sicherheitsvorkehrungen gibt es bereits seit Monaten. Der Anlaß: Die Bundesregierung verzichtet beim Treffen der Staats- und Regierungschefs im bayerischen Elmau auf massive Absperrungen rund um das Veranstaltungshotel; Deutschland soll sich zum Kummer der Sicherheitsbehörden als offenes Land präsentieren.

Denn diese befürchten erneut linksextreme Ausschreitungen, nach dem Vorbild der „Blockupy“-Krawalle in Frankfurt am Main. Die linksextreme Internetseite Indymedia erklärt dann auch die Frankfurter Randale unverhohlen zum Vorbild für den G7-Gipfel: „Vielfältigste Aktionsformen von Massenblockaden zivilen Ungehorsams über Materialblockaden bis zu brennenden Bullenwannen. Dieser Tag hat wieder mal vor Augen geführt: Die Mischung machts.“

Auch das linke Bündnis „Stop G7“, das die Proteste gegen das Treffen auf Schloß Elmau koordiniert, distanziert sich kaum von Gewalt. „Wir sprechen vorher mit den Leuten und kommunizieren, wie wir uns die Demo vorstellen“, sagte Sprecher Christoph Kleine dem Focus. Gewalt gehöre nicht dazu, „wohl aber ziviler Ungehorsam“. Unter diesem vermeintlich gewaltfreien Ungehorsam versteht er unter anderem „Blockaden gegen Wagenkolonnen“. Auf die Frage, ob er den Bürgern garantieren könne, daß deren Geschäfte nicht eingeschlagen und keine Autos angezündet würden, fällt die Antwort des „Stop G7“-Sprechers knapp aus: Zwar habe er keine Zweifel, daß die Proteste „von unserer Seite aus“ gewaltfrei blieben. „Allerdings habe ich über andere Menschen keine Verfügungsgewalt, will die auch nicht haben.“

Parteien und Gewerkschaften haben dennoch kein Problem, sich in die Gesellschaft dieses Vereins zu begeben. In der Unterstützerliste stehen die Linkspartei einschließlich Jugendorganisation, ein Ortsverband der Grünen, die bayerische GEW und die bayerische Verdi. Neben dieser Nadelstreifen-Vorhut finden sich aber auch die Organisationen fürs Grobe: Kommunistische Jugend Österreichs (KJÖ), Revolutionäre Aktion Stuttgart, Autonome Bande Memmingen. Für den Fall gewaltätiger Auseinandersetzungen hat Linksfraktionschef Gregor Gysi bereits eine Ausrede präsentiert. „Ich bin kein Verschwörungstheoretiker“, sagt Gysi, „aber ich habe immer den Eindruck, daß bestimmte V-Leute geradezu zur Gewalt animieren, um das politische Anliegen totzumachen.“ 

Die Polizei verbreitet derweil Zweckoptimismus. Generell setze man auf einen friedlichen Dialog mit den Demonstranten, sagte der Leiter des Polizeieinsatzes beim G7-Gipfel, Robert Heimberger: „Einen offensichtlichen Mißbrauch der Versammlungsfreiheit wird die Polizei jedoch nicht dulden.“ Man werde gegen gewaltbereite Personen „mit niedriger Einschreitschwelle vorgehen“. 

Kontrollen an den Grenzen  nach Polen und Tschechien

Die Stimmung unter den Beamten ist gereizt. Die Deutsche Polizeigewerkschaft schimpfte im Vorfeld des Gipfels über „Freizeitdiebstahl an den Einsatzkräften“, weil die rund 17.000 Polizisten beim G7-Gipfel „Zigtausende Überstunden“ ohne Vergütung leisten müßten. „Das alles ist ein Unding“, wetterte der Gewerkschaftschef Rainer Wendt. Es könne nicht sein, daß „Millionen Euro dafür ausgegeben werden, daß die Politiker sicher und ruhig tagen können, aber gleichzeitig bei den Polizisten gespart wird, die dafür sorgen, daß der Einsatz professionell geleistet werden kann“.

Um den Schutz der Politiker zu gewährleisten, sind sie erstaunlicherweise sogar zu Grenzkontrollen bereit, die eben noch als „rechtspopulistisch“ galten. „Aufgrund der erhöhten Sicherheitsanforderungen anläßlich des G7-Gipfels“ ordnete Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die vorübergehende Einführung von Kontrollen an den Grenzen an, inbesondere zu Polen und Tschechien. Mit Erfolg: Mehr als 150 Straftaten registrierten die Behörden innerhalb weniger Tage, darunter Autodiebstähle, Drogenschmuggel und Waffenhandel. 15 per Haftbefehl gesuchte Personen konnten festgenommen werden. Zudem verhinderten die Beamten in mehr als hundert Fällen, daß illegale Einwanderer nach Deutschland geschleust wurden. „Im Prinzip haben wir rund um die Uhr Aufgriffe“, zog ein Sprecher der Bundespolizei in der Dresdner Morgenpost Bilanz.