© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/15 / 05. Juni 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Genosse Hoffnung
Marcus Schmidt

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) begegneten Parteifreunde wie politische Gegner gleichermaßen in den zurückliegenden Wochen mit einer Mischung aus Mitleid und Bewunderung. Mitleid für die Demütigung durch SPD-Chef Sigmar Gabriel, der den überzeugten Gegner der Vorratsdatenspeicherung quasi über Nacht dazu verdonnert hatte, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Und Bewunderung für den Gleichmut, mit dem der Justizminister die Häme ertrug, die ihm für diese verordnete 180-Grad-Wende mancherorts entgegenschlug.

Vielleicht, dieser Eindruck konnte in den vergangenen Tagen entstehen, speiste sich dieser Gleichmut weniger daraus, daß sich Maas in das Unvermeidliche fügte, als vielmehr aus der Gewißheit, daß die letzte Schlacht in dieser Frage noch lange nicht geschlagen ist.

Daß die in der vergangenen Woche erfolgte Zustimmung des Bundeskabinetts zu dem gemeinsam von Maas und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ausgearbeiteten Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung noch nicht das letzte Wort in der Debatte war, zeigten nicht nur die Reaktionen der Opposition. Sowohl die Grünen als auch die außerparlamentarische FDP kündigten an, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um gegen das Gesetz zu klagen, das vorsieht, Telefon- und Internetverbindungsdaten künftig bis zu zehn Wochen zu speichern. „Wir haben gegen die letzte Vorratsdatenspeicherung erfolgreich in Karlsruhe geklagt und werden auch diesmal gegen das grundrechtsfeindliche Vorhaben der Großen Koalition gerichtlich vorgehen“, sagte der Fraktionsvize der Grünen, Konstantin von Notz, der Rheinischen Post. Ähnlich harsch reagierte FDP-Vize Wolfgang Kubicki „Die schwarz-roten Pläne sind ein fauler Kompromiß, der in der Sache nichts bringt“, klagte Kubicki in der Oldenburger Zeitung. Justizminister Maas wisse selber, „daß sein Konzept verfassungswidrig ist“, glaubt Kubicki.

Doch nicht nur beim politischen Gegner, auch in der SPD sorgt das Thema nach wie vor für hitzige Debatten. Auf einem kleinen Parteitag, dem sogenannten Parteikonvent, soll die Basis Ende Juni in Berlin über den heiklen Punkt entscheiden. „Über 100 Anträge gegen die Pläne der Bundesregierung lassen den Unmut der SPD-Basis deutlich werden“, beschrieb Juso-Chefin Johanna Uekermann in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters die Situation. Die Parteilinken spekulieren darauf, daß die Ablehnung der Genossen so groß ist, daß der Konvent den Gesetzentwurf ablehnt. An diesem Votum würde die SPD-Fraktion im Bundestag kaum vorbeikommen. Heiko Maas wäre in diesem Fall der strahlende Sieger, während SPD-Chef Gabriel schwer beschädigt wäre und die Große Koalition vor dem Aus stünde.

Die Parteiführung übt sich daher bereits fleißig in Zweckoptimismus. „Die SPD wird da nichts gegen ihren Minister und ihren Parteichef beschließen“, zeigte sich ein Mitglied der Parteispitze im Handelsblatt mit Blick auf den Parteikonvent überzeugt.