© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/15 / 05. Juni 2015

Frau Schwesig und die Flüchtlinge
Berlin: Der Start eines Programms zur Integration junger Asylbewerber gerät zur Selbstdarstellung der Politik
Elena Hickman

Auf dem Hof des Kunst- und Kulturhauses „Schlesische27“ in Berlin-Kreuzberg stehen ein paar Jugendliche etwa doppelt so vielen Journalisten gegenüber. Gemeinsam warten sie auf Familien- und Jugendministerin Manuela Schwesig (SPD), die das Programm „Willkommen bei Freunden“ starten wird. Abed, einer der Jugendlichen, ist von Palästina über Syrien nach Deutschland gekommen. „Ich wollte meine Zukunft schützen, ich wollte mein Leben schützen“, antwortet er auf die Frage, weshalb er in Deutschland sei. Viel mehr gibt sein Deutsch noch nicht her.

Das Programm der Bundesregierung, gestartet am vergangenen Donnerstag, soll Kommunen dabei unterstützen, minderjährige Flüchtlinge zu  integrieren. Unterstützt wird das Familienministerium dabei von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) und der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoguz. Für das auf vier Jahre angelegte Projekt stellt der Bund zwölf Millionen Euro zur Verfügung.

„Das muß unser Land schaffen“ 

 „Ich möchte vor allem denen die Hand reichen, die vor Ort sagen ‘Wir wollen etwas für Flüchtlinge tun’“, sagte Schwesig nach dem kurzen Rundgang durch die Werkstatt des Kulturhauses. Dort arbeiten die Jugendlichen zur Zeit an einem Kunstprojekt und einem Theaterstück – von Deutschkursen oder Ausbildungsplätzen spricht an diesem Tag dagegen niemand. Dafür fragte Schwesig einen jungen Flüchtling, was ihm denn an dem Kunstprojekt Spaß mache.

„Wir müssen auf die Leute schauen, die etwas für Flüchtlinge tun und nicht auf die, die ständig gegen Flüchtlinge reden und hetzen“, gibt Schwesig die Richtung vor. Probleme mit Flüchtlingen standen an diesem Tag ohnehin nicht zur Debatte. Kritische Nachfragen etwa zum Sinn des Projektes bremsten die Beteiligten aus. Deutschland habe kein Flüchtlingsproblem, sondern eine spannende Herausforderung für die kommenden Jahre. Sollten Mitarbeiter doch einmal überfordert sein, können sich die Kommunen dank des neuen Programms künftig an sechs regionale Servicebüros wenden und dort Angebote und Hilfestellungen bekommen, versprechen die Verantwortlichen. Durch lokale Bündnisse aus Behörden, Vereinen und Bildungs- oder Flüchtlingseinrichtungen sollen Netzwerke zur Integration junger Flüchtlinge entstehen. Ziel sei es, nicht nur die Flüchtlinge, sondern auch die „Willkommenskultur“ weiter zu fördern. Diese Willkommenskultur sei, versicherte Özoguz „weiter verbreitet, als wir denken“.

 Allerdings sei das in der vergangenen Woche vorgestellte Programm allein nicht ausreichend, um für junge Flüchtlinge in Deutschland zu sorgen. Durch ein neues Gesetz sollen zukünftig betroffene Asylbewerber in allen Städten untergebracht werden, sagte Schwesig. Zweitens sollen Mitarbeiter in Städten, die bisher noch nicht so viel mit jungen Flüchtlingen zu tun hatten, mehr Beratung und Unterstützung bekommen. So sollen „einige Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden, vermieden werden“. „Und drittens“, so die Familienministerin, „wir brauchen für junge Flüchtlinge die hier sind und eine Ausbildung machen wollen, ein Bleiberecht für die Zeit der Ausbildung“. Zudem müsse der Wirtschaft versichert werden können, daß Jugendliche nach ihrer Ausbildung auch hier arbeiten dürften.

 Auch die Geschäftsführerin der Schlesischen27, Barbara Meyer, wies noch einmal auf das besondere Potenzial der jungen Flüchtlinge für Wirtschaft und Gesellschaft hin. Bisher würde über die Flüchtlingsfrage gesprochen werden, „als ob Postpakete hier ankommen, die verteilt werden müssen“. Dabei würden die Deutschen vergessen, sagte Meyer, daß „wir gar nicht so viel geben müssen, sondern empfangen“. Die jungen Flüchtlinge der Schlesischen27, mit ihren bruchstückhaften Deutschkenntnissen, haben von all dem wahrscheinlich wenig verstanden.

 Schwesig sprach auch die Finanzierung der Flüchtlingshilfe in Deutschland an. Die müsse endlich auf dem nächsten Flüchtlingsgipfel geklärt werden, um die Kommunen „mit diesem großen Thema finanziell nicht alleine“ zu lassen. Auf keinen Fall dürfe eine „soziale Spaltung“ entstehen, wenn beispielsweise eine Schule nicht saniert wird, weil „ja die Flüchtlinge kommen“, betonte die Ministerin und forderte gleichzeitig: „Das muß unser Land schaffen!“