© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/15 / 05. Juni 2015

Bill Browder. Der US-Investor inszeniert sich als Staatsfeind Rußlands. Zu Recht?
Allein gegen Putin
Thomas Fasbender

Schon vor Erscheinen seines Buches „Red Notice. Wie ich Putins Staatsfeind Nr. 1 wurde“ vor wenigen Wochen war der vielfache Millionär in der Finanzwelt eine schillernde Größe. Heute ist sein Medienimage das eines unbeugsamen Kämpfers für Demokratie und Transparenz in Rußland – und massiven Kremlgegners. Dabei kämpfte der US-Glücksritter Anfang der Nullerjahre noch Seite an Seite mit der Putin-Mannschaft gegen korrupte Machenschaften in den russischen Großunternehmen. Warum wurde er zu einem der bekanntesten ausländischen Kritiker des Kremlherrn, der 2012 in den USA gar das für die russische Elite demütigende Magnitski-Gesetz durchsetzen konnte?

Wie im Fall Michail Chodorkowski gehen die Meinungen auseinander: Ist Browder ein Saulus, der zum Paulus wurde, oder ein Schlitzohr, das sich mit den eigenen Waffen schlagen ließ und nun rachsüchtig westliche Journalisten vor seinen Karren spannt?

1996 gründete der 1964 in Chicago geborene Enkel des Ex-Parteichefs der US-Kommunisten eine Investmentgesellschaft, die unterbewertete russische Aktien kaufte. Sie erwirtschaftete Traumgewinne; zeitweise verwaltete Browder 4,5 Milliarden US-Dollar. Schon früh interessierte ihn Gazprom, eine, gemessen an ihren Reserven, damals extrem schwach bewertete Gesellschaft. Allerdings war der größte Teil ihrer Stammaktien russischen Investoren vorbehalten.

Nun besaßen alle Moskauer Händler einheimische Firmen, die im Auftrag ausländischer Kunden Gazprom-Aktien kauften. Browder ging einen Schritt weiter. Beraten von einer Moskauer Kanzlei, bei der ein Auditor namens Sergej Magnitski arbeitete, schuf er 2000 seine eigene Offshore-Struktur mit Treuhändern unter anderem im russischen Kalmückien.

Schon 2004 warnten Experten, solche „grauen Strukturen“ könnten als rechtswidrig angesehen werden. Im selben Jahr eröffnete das kalmückische Innenministerium ein Strafverfahren gegen die Browder-Firmen. 2005 wurde Browders Einreisevisum gestrichen. 2006 zog er sein gesamtes Investorengeld aus Rußland ab. 2007 wurden die Dokumente und Stempel der kalmückischen Firmen behördlich konfisziert. Dann benutzten russische Betrüger Browders Firmen, um in einer komplizierten Transaktion 135 Millionen Euro aus der Staatskasse auf Offshore-Paradiese zu überweisen.

Browder hat einiges für den „Shareholder Value“ russischer Aktien getan, ist aber an größeren Tricksern gescheitert. Den Preis bezahlt hat der Buchprüfer Magnitski, der 2009 aufgrund mangelnder medizinischer Hilfe in einem Moskauer Gefängnis starb. Seine Verhaftung verdankt sich der Finanzamts-Mafia, die Browders Firmenkonvolut für ihre kriminellen Ziele benutzt hat. Browder hat aus dem Fall PR-Kapital geschlagen. Die Frage bleibt: Starb Magnitski im Kampf gegen die Korruption oder für die Gier seines Herrn?