© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/15 / 29. Mai 2015

CD-Kritik: Franz Schubert, Winterreise
Schlußstück
Jens Knorr

Er war einer der bedeutenden lyrischen Tenöre des 20. Jahrhunderts. Keiner formte das Strophenlied so detailliert und variantenreich aus wie er, ohne daß dem Hörer auch nur der leiseste Verdacht gekommen wäre, einer ehrfurchtgebietenden Kunstanstrengung beizuwohnen. Seine Kunst war Kunst, die Kunst verbirgt, sein Singen versöhnte Volks- und Kunstlied miteinander.

Peter Schreier, der große Bach- und Mozart-Interpret, vor allem aber Interpret des deutschen Lieds aus dem kleinen Ländle hat 2005 mit einer Rundfunkaufnahme von Franz Schuberts Lied-Zyklus „Winterreise“ seine Karriere beendet. Die ist nun endlich auch auf CD veröffentlicht, zusammen mit einem Filminterview vom vorigen Jahr auf DVD, in dem der Sänger über seine Interpretation, Grenzen und Begrenzungen Auskunft gibt.

Bezog das berühmte Konzert mit Swja-

toslaw Richter in der Semperoper seine Spannung aus dem Widerstreit von dramatisierendem Klavier- und lyrisierendem Gesangspart, so läßt sich der Sänger 20 Jahre später, mit kürzerem Atem und überreifer Stimme, deutlich vorbehaltloser auf den graphisch konturierten Quartettsatz von Jens Josef ein, den ihm das Dresdner Streichquartett zuspielt.

Wer zu wahrhaftigem Ausdruck gelangen will, muß die seelenvolle Reinheit außer Kraft setzen dürfen. Der Meister tut es!

Franz Schubert Winterreise Peter Schreier, Dresdner Streichquartett Hänssler Profil 2015  www.haensslerprofil.de