© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/15 / 29. Mai 2015

Weg vom Fensterln
Gleichberechtigung: Die Universität Passau setzt im Streit um ein abgesagtes Studentenfest den Veranstalter auf die Anklagebank
Lukas Noll

Ein rauschendes Campusfest, garniert mit niederbayerischer Tradition, wollten Studenten der Universität Passau organisieren. Beim sportlichen Teil, den „Campus Games“, hatten sie die Rechnung aber ohne die Gleichstellungsbeauftragte der Universität gemacht. Ein Mann, der auf eine Leiter steigt, um seine Liebste zu umwerben – das war Claudia Krell zuviel des Guten. Die Veranstaltung verstoße gegen „das Gleichstellungskonzept der Universität“ und degradiere Frauen zum Objekt, bemängelte die Psychologin.

Die verantwortlichen „Sportstudenten Passau“ reagierten umgehend und verschoben die Spiele. Organisator Niko Schilling ist vor allem über den Zeitpunkt der bizarren Intervention verärgert: „Seit Monaten organisieren wir alles. Dann meldet sich die Gleichstellungsbeauftragte eine Woche vorher telefonisch bei mir und verlangt, die Regeln zu ändern. Wenn ich die Regeln ändere und Männer auf den Balkon stelle und Frauen die Leiter hochklettern, hat das nichts mehr mit Tradition zu tun.“ Trotz ihrer organisatorischen Defensivhaltung wenden sich die Sportstudenten an die Facebook-Öffentlichkeit: „Wir sind zwar der Meinung, daß das Fensterln eine ur-bayerische Sportart ist, die sich den neumodischen Zwängen des andauernden Gender-Wahnsinns nicht zu unterwerfen braucht, beugen uns aber vorerst dem Willen der Verwaltung“, heißt es im Beitrag der Gruppe.

Einseitig besetztes Podium

Mit diesem „neurechten Kampfbegriff“, wie ihn der Nutzer Tilo Beimer witterte, war der Sturm der Entrüstung vorprogrammiert: „In bester Pegida-Manier vom ‘Gender-Wahnsinn’ anzufangen, der eure ach so tolle ‘ur-bayerische’ Kultur zersetzen würde, ist einfach nur widerlich“, ereiferte sich Kevin Leo Schmidt von der Hochschulgruppe „Die Linke.SDS“. Die große Mehrheit der weit über 500 Kommentare stellte sich aber auf die Seite der Sportstudenten: Das Forum ätzt über Gender Mainstreaming und Politische Korrektheit, selbst Studentinnen empfehlen der Gleichstellungsbeauftragten, „persönliche Enttäuschungen mal daheim zu lassen“. „Ich als Frau HASSE Frauen, die meinen, alles und jeden verteidigen zu müssen!“ wehrte sich Nutzerin Natalie Griedl. Unterstützung erhielt die Gleichstellungsbeauftragte unterdessen von Universitätspräsident Burkhard Freitag: Diese habe „kompetent und richtig gehandelt“, beschied er. „Es ist nicht immer leicht, Gewohntes und vermutlich gar nicht diskriminierend Gemeintes mit einem modernen Menschenbild, das ein hohes Maß an Sensibilität erfordert, in Einklang zu bringen“.

Dabei geht die Gleichstellungsbeauftragte das Campusfest eigentlich nichts an: Sie ist nach dem Bayerischen Gleichstellungsgesetz für das „nichtwissenschaftliche Personal“ der Hochschule zuständig. Auf einer anstelle des Sportfestes einberufenen Podiumsdiskussion zum Thema „Tradition und Gleichstellung: Ein Widerspruch?“ zeigte sich die Universität von einer wenig diskussionsfreudigen Seite. Die angekündigte Live-Übertragung wurde abgesagt – unter Widersprüchen: Erst führte Pressesprecherin Katrina Jordan im Uniradio „Campus Crew“ technische Probleme an, später ging es ihr darum, die Diskussion von der Bundesebene zurück nach Passau zu holen.

Präsident der Universität fordert Entschuldigung

Dabei war der Livestream längst technisch funktionstüchtig eingerichtet, wie Sportstudent Schilling offenlegte: Die Universität habe die Übertragung verboten.  Als Grund wird verwaltungsintern die von der Universitätslinie abweichende Haltung des Rechtsprofessors Holm Putzke vermutet. Der Strafrechtler hatte die Reaktion der Gleichstellungsbeauftragten zuvor als „undurchdacht“ kritisiert: „Wenn man in dieser Richtung weitermacht, könnten demnächst auch Romeo und Julia auf dem Index stehen.“ Von einer gemeinsamen Linie, auf die der Präsident die Diskussionsteilnehmer scheinbar vorab festlegen wollte, konnte damit keine Rede mehr sein. Dabei war das Podium ohnehin wenig kontrovers zusammengestellt: Mit dem Veranstalter Niko Schilling durfte sich nur ein Student zu Wort melden, ihm gegenüber saßen gleich vier Vertreter der Universität. Die Verantwortliche hatte sich bei der Podiumsdiskussion lieber nicht blicken lassen. „Wir haben Frau Krell eingeladen“, erklärten die Veranstalter des Campusfests auf Facebook. Man habe aber Verständnis dafür, daß sie sich mit ihrer Absage „aus der Schußlinie“ bringe.

Als Sündenbock fungierte auf dem Podium ohnehin nicht die Gleichstellungsbeauftragte, sondern Schilling. Schon mit seiner ersten Äußerung, die Veranstaltung bewußt lieber abgesagt zu haben, als jedem Trend nachzurennen, hatte er es sich mit dem Gleichstellungstrio in der Diskussionsrunde verspielt. Die Genderdozentin Joanna Rostek sah den „Tatbestand“ erfüllt, Frauen zum Objekt zu degradieren. Freitag forderte von den Sportstudenten eine Entschuldigung. Wie sehr der Campusstreit letztlich aber eine Kindergartenposse war, brachte die ehemalige Frauenbeauftragte Carola Jungwirth unfreiwillig auf den Punkt. Den „Fakt einer Diskriminierung“ erklärte sie dem vollen Audimax so: „Die Frauen durften nicht mitspielen.“