© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/15 / 29. Mai 2015

Lesereinspruch

Schlechtes Deutsch

Zu: „Woher wir stammen“ von Thomas Paulwitz (JF 21/15)

Ihre Beobachtung über „aussterbende Dialekte“ erscheint mir zu oberflächlich. Sicherlich gibt es einen seit Jahrzehnten zu beobachtenden Uniformitätsdrang, der dazu führen soll, daß Lernende in München von denen in Hamburg phonetisch nicht mehr zu unterscheiden sein sollen. Auch werden Unzulänglichkeiten der Lautbildung in den süddeutschen Sprachrändern (vor allem Bayern mit seiner fehlenden Monophthongierung: ich sag nur „oa Oa“ für ein Ei oder ein Ohr oder weiß der Geier) abgeschliffen – aber das bedeutet gar nichts. 

Das von Ihnen angesprochene Kiezdeutsch ist ein Unterklassenidiom oder Soziolekt, aber keine Tönung der Standardsprache mit tiefgreifender Grammatik, die aber entscheidend ist. Die Kiezdeutschnutzer haben bis heute keine grammatikalischen Eigenarten entwickelt, was nichts anderes bedeutet als dieses: schlechtes Deutsch. Das ist nämlich der qualitative Unterschied zum Dialekt, welcher eigene grammatikalische Besonderheiten ausbildet. Ich habe das beim Magdeburgischen erforscht und in einem Wörterbuch festgehalten.

Robert-Christian Knorr, Magdeburg