© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Umwelt
Bullen im „Spiegel“
Bernd Rademacher

Kürzlich veröffentlichte Der Spiegel unter der Überschrift „Kälber für die Tonne“ einen schockierenden Bericht über heimlich und illegal getötete Bullenkälber in deutschen Milchbauernbetrieben. Da Bullenkälber keine Milch geben, seien sie „Abfallprodukte“ der Milchwirtschaft. Weil ihr Schlachtwert zu gering sei, würden die Bauern männliche Kälber „erschlagen“ oder „verrecken lassen“.

Die Autoren zitieren eine Kuhhalterin aus Norddeutschland, die dem Bauernverband eine Mitschuld an den Zuständen gibt, da dieser unter seinen Mitgliedern „durchorganisierte Tierfabriken“ propagiere. Die namentlich genannte Bäuerin dementierte allerdings später gegenüber dem Landwirtschaftsmagazin Top Agrar ihre Äußerungen und eine angebliche Mitgliedschaft in einem Netzwerk namens „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“. Sie sei zwar von einer Spiegel-Fotografin besucht, aber nicht zum Thema befragt worden.

Wahr ist: Der wirtschaft­liche Druck macht mögliche

Lösungen unrentabel.

Das Landwirtschaftliche Wochenblatt kritisierte die Spiegel-Geschichte als „tendenziös und undifferenziert“. Es werde der Eindruck erweckt, als sei es gängige Praxis, Bullenkälber zu töten: „Wortwahl, Schlußfolgerungen und die Auswahl der zitierten Personen lassen darauf schließen, daß objektive Berichterstattung nicht das oberste Ziel war“, klagen die Bauernvertreter. Wahr ist jedoch: Der wirtschaftliche Druck macht mögliche Lösungen wie geschlechterdefiniertes Sperma oder Tierrassen mit zweifachem Nutzwert unrentabel. Angeblich sollen in Italien tatsächlich ungezählte Bullenkälber verenden, weil sie für die Herstellung von Mozzarella wertlos sind. Darum mahnt der Bauernverband, jeder Milchviehhalter sei gefordert, solchen Gerüchten in Deutschland jegliche Grundlage zu entziehen und dasselbe auch von seinen Berufskollegen zu verlangen.