© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

„Vernichtungskrieger“ auf den Rheinwiesen
Deutsche Kriegsgefangene als Opfer zweiter Klasse: Die „Gedenkarbeit“ der Mainzer Volkspädagogik
Dirk Glaser

Uwe Bader leitet in der rheinland-pfälzischen Landeszentrale für politische Bildung das Referat für „Aufklärungsarbeit über den Nationalsozialismus und das Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“. Bis 2011, so bekennt er freimütig (Jahrbuch für Politik und Geschichte, Jahrgang 5/2014), nahm das Thema Kriegsgefangenschaft deutscher Soldaten in den sogenannten „Rheinwiesenlagern“ für ihn keinen besonderen Stellenwert ein.

Sein Gedenkstättenreferat sei vollauf beschäftigt gewesen mit der „Befreiung unserer Region“ durch die US-Truppen, mit der Bilanz der NS-Herrschaft und dem Kriegsende. Im Mittelpunkt dieser „Gedenkarbeit“ standen daher nicht deutsche, sondern ausländische Opfer des „von Hitler und seiner Regierung angezettelten Zweiten Weltkrieges“.

Diese beileibe nicht auf „politische Bildner“ wie die Mainzer Volkspä-dagogen beschränkte Ignoranz glaubten sich Bader 2011 aber nicht mehr leisten zu können. Und zwar nicht deshalb, weil er sich seiner Verachtung des Eigenen plötzlich geschämt hätte. Vielmehr bekam die „Instrumentalisierung“ von Opfern, wie sie Baders Referat seit langem inszeniert, störende Konkurrenz. Eine „aktive rechte Szene im Kreis Ahrweiler“ hatte es schon 2005 gewagt, die Gedenkfeiern am Volkstrauertag und die Erinnerung an die Kriegsopfer „für ihre Zwecke zu instrumentalisieren“. Im November 2011 hätten dann Aktionen von „rechtsextremistischer, geschichtsrevisionistischer Seite“ an Standorten ehemaliger alliierter Kriegsgefangenenlager Baders Landeszentrale zur Gegenoffensive gezwungen.

Gleichzeitig hatte sich am Mahnmal „Feld des Jammers“ in Bretzenheim bei Bad Kreuznach eine unübersichtliche geschichtspolitische Gefechtslage entwickelt. Wegen „rechtsextremistischer Kundgebungen“ 2009 und 2010 wollten die bei solchen Anlässen unvermeidlich auf den Plan tretenden „kirchlichen Kreise und Bürgerinitiativen“ samt der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) den „Demonstrationen von Rechtsradikalen und NPD-Anhängern“ nicht nur mit „ökumenischen Gebeten und Mahnwachen“ wehren. Wirksamer schien ihnen, das Bretzenheimer Mahnmal, das „allen“ in Gefangenschaft verstorbenen „deutschen Soldaten“ gewidmet war, entweder auf „alle“ Kriegsgefangenen auszudehnen, oder es so umzuformulieren, daß nicht „alle“ deutschen Soldaten unkommentiert als Opfer figurierten.

Diese klitternden Vorschläge kommentiert der nach Opfern erster und letzter Klasse sortierende Bader wohlwollend. Denn die bisherige Ausstellung zur Geschichte des Lagers Bretzenheim, das bis zum Sommer 1945 unter US-Kommando stand und bis 1948 von den Franzosen „genutzt“ wurde, erinnere für ihn zu ausschließlich an das schwere Schicksal der deutschen Soldaten. Dadurch werde ein Narrativ bedient, das alle deutschen Kriegsgefangenen in „Opfer“ verwandle, „unabhängig davon, wie sie sich zuvor als Angreifer im Vernichtungskrieg in den besetzten Ländern verhalten hatten“.

Teilhabe aller Soldaten an der deutschen Alleinschuld

Nach solchen Einblicken in ein erbarmungswürdig simples Geschichtsverständnis, dem zufolge die Teilhabe an der dogmatisierten deutschen „Alleinschuld“ am Kriegsausbruch im Sommer 1939 alle Wehrmachtssoldaten zu „Tätern“, wenn nicht zu „Kriegsverbrechern“ stempelt, versteht man leicht, wie Bader seit 2011 die „von staatlicher Seite beeinflußte Aufarbeitung“ der Geschichte der Rheinwiesenlager angeht.

Ideologische Waffenhilfe erhielt er dabei vom Berliner „Antisemitismusforscher“ Wolfgang Benz, der dem „Wissenschaftlichen Fachbeirat zur Gedenkarbeit in Rheinland-Pfalz“ vorsitzt. Beide sorgen seit Jahren für die „notwendige Kontextualisierung“, die bei Opfern erster Klasse freilich als „Relativierung“ verpönt ist. Im „Kontext von NS-Diktatur und Völkermord“ sei dann allen Bestrebungen, „Aufrechnung zu betreiben“ und „Täter und Opfer auszutauschen“ das Wasser abzugraben. Kurz: Die Toten der Rheinwiesen sollten als mutmaßliche „Täter“ getrost in Vergessenheit versinken.

Ob das geschieht, ist fraglich. Denn ausgerechnet auf einer von Bader und Benz initiierten Tagung im August 2012 in der Gedenkstätte KZ Osthofen hielt Rüdiger Overmans, der beste Kenner der Geschichte der Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg, fest, daß zwar die international Furore machenden Verlustzahlen des kanadischen Historikers James Bacque ins Reich der Legende gehörten. Aber die Lücken gerade zum Ablauf des Massensterbens in den Rheinwiesenlagern, wo allein in Bretzenheim zwischen Mai und Juli 1945 mindestens 3.500 deutsche Soldaten umkamen, fordere in erster Linie mehr zur Forschung als zum politisch konditionierten Vergessen auf.