© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Unruhe für Häuslebauer
Immobilienfinanzierung: Bundesgerichtshof stärkt Banken und Assekuranzen / Keine Rückabwicklung von Lebensversicherungen
Peter Offermann

Schaffe, schaffe, Häusle baue, und net nach de Mädle schaue“, dieser alte schwäbische Schlager von Ralf Bendix ist brandaktuell. Denn darin heißt es weiter: „Und wenn unser Häusle steht, da gibt’s noch keine Ruh’, denn dann sparen mir, dann sparen mir, für ’ne Ziege und ’ne Kuh.“ Neu ist allerdings, daß über fünfzig Jahre später immer mehr Eigenheimbauer nicht für Zusatzanschaffungen, sondern zum Tilgen ihres Immobiliendarlehens unverhofft weitersparen müssen. Das gilt zumindest für diejenigen, die zur Ablösung von Baufinanzierungen Kapitallebensversicherungen (LV) einsetzen wollen.

Möglicher Ausweg

wird versperrt

Oftmals wurde als Tilgungsersatz nicht der Garantiebetrag als Ablösesumme gewählt, sondern die unverbindlich prognostizierte gesamtverzinste LV-Ablaufleistung (JF 18/15). Durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) werden künftig viele Versicherer die angepriesenen LV-Zinserträge nicht mehr erwirtschaften können. Manche Assekuranzen werden sogar nicht einmal mehr die Garantieverzinsung von einstmals bis zu vier Prozent erfüllen können, denn die im LV-Portfolio stark vertretenen Staatsanleihen leiden unter Ertragsproblemen.

Deutsche Bundesanleihen gelten zwar als sicher, sie rentieren aber mit weniger als einem Prozent. Paragraph 89 des Versicherungsaufsichtsgesetzes ermöglicht den Unternehmen, ihre Auszahlungen herabzusetzen. Die Pflicht der Versicherten, ihre Beiträge weiterzuzahlen, wird dadurch aber nicht aufgehoben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun mit einem Urteil (XI ZR 406/13) dafür gesorgt, daß Betroffenen auch ein möglicher Ausweg versperrt wird.

Wer im Rahmen seiner Eigenheimfinanzierung eine LV abgeschlossen hat, kann nicht davon ausgehen, daß diese durch die kreditgebende Bank oder Versicherungsgesellschaft rückabgewickelt wird, sprich die Beiträge zurückgezahlt werden. Das BGH-Urteil freut die Finanzbranche, es hat aber weitreichende, verbraucherfeindlichen Folgen. Im konkreten Fall hatte eine Klägerin ihren Bankdarlehensvertrag widerrufen. Bestandteil des Vertrages war aus Sicht der Kundin eine zusätzlich abgeschlossene kapitalbildende LV, durch welche das Darlehen am Ende der Laufzeit abgelöst werden sollte. Die Rechte aus diesem Vertrag wurden, wie üblich bei diesem Finanzierungsmodell, an die kreditgebende Bank als Sicherheit für den Todes- und Erlebensfall abgetreten.

In dem BGH-Fall hatte die Kundin das aus heutiger Sicht wenig attraktive Finanzierungsmodell durch das Kreditinstitut empfohlen bekommen und zur Finanzierung ihrer Immobilie abgeschlossen. Die Klägerin schloß daher 2002 neben dem Darlehensvertrag eine LV ab. Im Jahr 2011 widerrief sie beide Verträge und forderte die Bank anwaltlich auch zur Rückabwicklung der LV auf. In diesem Falle hätte die Bank die bis dahin gezahlten Beiträge für die Kapitallebensversicherung an die Kundin zurückbezahlen müssen. Somit wäre diese ohne herbe Verluste aus dem Vertrag herausgekommen.

Der BGH entschied jedoch: Es handele sich bei der Kombination aus LV, welche zur Tilgung dient, und dem Darlehensvertrag durch die Bank um kein verbundenes Geschäft. Ein Schlag, der viele Häuslebauer und Versicherte ins Mark treffen dürfte. Denn die LVs wurden aus Verbrauchersicht schließlich nur zu einem Zweck abgeschlossen – der Tilgung und Besicherung der Finanzierung des Eigenheims. Das sieht der BGH gänzlich anders. In der Urteilsbegründung heißt es, daß sich eine Rückabwicklung nur auf den Darlehensvertrag selber bezieht und dieser Vertrag, auf den innerhalb der Laufzeit lediglich Zinsen gezahlt werden, und die LV, welche zur Tilgung dient und für die der Kunde nur die Prämien entrichtet, keine verbundenen Verträge sind.

Der BGH läßt nur eine Ausnahme zu: Sollten die Beiträge in Form einer Einmalzahlung in den LV-Vertrag geflossen und durch das Darlehen teilweise oder gänzlich finanziert worden sein, so wäre eine rechtsverbindliche Einheit gegeben. Ein Konzept, welches in sich unschlüssig erscheint, denn welcher Kunde finanziert über das eigene Haus hinaus auch noch seine eigene Tilgung und zahlt hierfür dann horrende Zinsen? Da die Versicherungsprämie jedoch in fast allen Fällen aus anderen Mitteln und nicht dem mit der Hausfinanzierung verbundenen Darlehensvertrag finanziert wird, greift Paragraph 358 Absatz 3 BGB (Widerruf, Rückabwicklung verbundener Verträge) in diesem Fall nicht.

Die Reichweite dieses BGH-Urteils ist milliardenschwer. Denn besonders in der LV-Hochzinsphase in den neunziger Jahren war die Tilgung des Kredits durch die zum Ende der Finanzierung fällige Kapitalversicherung äußerst beliebt, sowohl bei Banken als auch Versicherungsgesellschaften. Die Ablaufleistungen waren hoch, die Beiträge niedrig – und die heutige EZB-Zinspolitik nur von Euro-Kritikern vorausgesehen worden.

Kündigung oder

Beitragsfreistellung?

Und hier schlummert die Gefahr: Wegen der drastisch gesunkenen Überschußbeteiligung ergeben sich Finanzierungslücken von mehreren zehn- bis teilweise hunderttausend Euro. Das böse Erwachen droht also gerade dann, wenn der Kunde es fast geschafft hat. Wer nun hoffte, durch einen Finanzierungswechsel auf der sicheren Seite zu sein und zumindest durch die Rückabwicklung das bisher eingezahlte Geld zurückzubekommen, schaut durch das BGH-Urteil in den Abgrund.

Statt der eingezahlten Beiträge bleiben nur drei, deutlich unattraktivere, Möglichkeiten. Kündigung, Beitragsfreistellung oder zähneknirschend die Beiträge bis zum Ende der Laufzeit weiter bezahlen. Alle drei dürften mit Verlusten verbunden und deutlich schlechter sein als die Rückabwicklung durch den Kreditgeber. Nach einer Vielzahl von bankenkritischen Urteilen dürfen sich diese diesmal als Sieger wähnen.

BGH-Urteil vom 5. Mai 2015 – XI ZR 406/13: bundesgerichtshof.de/