© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Grüße aus Brüssel
Hinein in die EU-Bubble
Carl Gustaf Ströhm

Donnerstags abend in Brüssel. Während ich noch eine Spätschicht schiebe, indem ich diese kleine Kolumne verfasse, passiert etwas Einzigartiges in der Hauptstadt Belgiens. Nun, so einzigartig ist es doch nicht, da es jeden Donnerstag stattfindet. Denoch habe ich so etwas noch in keiner europäischen Stadt gesehen.

Es nennt sich „Pluxen“, ein Neologismus der sich aus „Place Luxembourg“ zusammensetzt. Der „Place Lux“, wie er unter Eingeweihten und Kennern genannt wird, befindet sich vor dem Europäischen Parlament. Mit seinen Cafés, Restaurants und Pubs ist er das feuchtfröhliche Zentrum des „Meet and Greet“ der EU-Nomenklatura.

Jeden Donnerstagabend versammeln sich hier Praktikanten, Assistenten, Mitarbeiter des EPs und manchmal auch Mitglieder des Europäischen Parlaments, um auf den wohlverdienten Feierabend anzustoßen.

Jedesmal wenn ich mit Kollegen „pluxe“, tauche ich wieder ein, in die „EU-Bubble“. Bubble ist etwas Surreales, manchmal auch Skurriles. Sie begleitet einen stets, wenn man in den Institutionen der Europäischen Union unterwegs ist oder mit Menschen redet, die irgendwie mit dem Moloch zu tun haben.

Die fleißigen Angehörigen des EU-Apparats, prosten sich donnerstags ebenso fleißig zu.

Einmal in der „EU-Bubble“ drinnen, spürt man förmlich jenen „EU-Enthusiasmus“, dem alle hier frönen und den manch einer außerhalb dieser Seifenblase nur noch schwer nachvollziehen kann.

Und wie eine Seifenblase ist das Verhältnis zwischen der „Welt da draußen“ und der „EU-Welt da drinnen“. Man hat immer das Gefühl, daß bereits eine kleine Nadel diese „EU-Bubble“ zum Platzen bringen könnte. Denn das oft gepredigte Ideal der EU hat nur wenig mit der oft brutalen Brüsseler Realität zu tun.

In keiner europäischen Stadt ist die Kriminalität höher und in keiner gibt es mehr Arbeitslosigkeit, vor allem unter den Jugendlichen. Jeder zweite Jugendliche mit sogenanntem Migrationshintergrund ist arbeitslos. Die meisten ausländischen Kämpfer, die für den Islamischen Staat nach Syrien und in den Irak ziehen, kommen aus Belgien.

Wahrscheinlich gibt es weltweit kaum eine andere Stadt, in der die Gegensätze auf engem Raum so kraß aufeinanderprallen. Hier die fleißigen Angehörigen des EU-Apparats, die sich ebenso fleißig zuprosten, nur einige hundert Meter Luftlinie weiter die gesammelten Probleme, mit denen Europa seit Jahren zu kämpfen hat.