© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Die Freien Demokraten haben wieder Mut gefaßt
FDP: Nach den Erfolgen in Hamburg und Bremen hoffen die Liberalen auf ein Ende der Misere
Felix Lehmann

Der FDP-Bundesparteitag beginnt launig. „Ich begrüße die männlichen und weiblichen Parteifreunde sowie die 64 anderen Geschlechter, von denen ich gehört habe“, begrüßt FDP-Vize Wolfgang Kubicki am Freitag vergangener Woche die Delegierten in Berlin. Kubicki hat guten Grund zum Humor. Bei der Bürgerschaftswahl im Februar in Hamburg erreichten die Liberalen mit Katja Suding das beste Ergebnis seit 40 Jahren. In Bremen legte Lencke Steiner Anfang Mai nach, mit 6,5 Prozent gelang der Quereinsteigerin der Senkrechtstart in die Politik.

Es ist keine zwei Jahre her, da standen die Liberalen mit dem Rücken zur Wand. Der erste Rauswurf aus dem Bundestag in der Geschichte der Partei und der Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD), die von vielen ihrer Wähler vor allem als Alternative zur FDP wahrgenommen wurde, markierte eine Zäsur in der Geschichte der Partei. Doch jetzt spüren die Freien Demokraten wieder Rückenwind. Eine „erste Stabilität“ sei erreicht, gab sich Parteichef Christian Lindner hoffnungsvoll.

Lindner will Schwäche

der AfD nutzen

Dafür hat die Partei einiges getan: Ein noch von Ex-Parteichef Guido Westerwelle angestoßener Diskussionsprozeß mündete in einem neuen Grundsatzprogramm; die „Arbeitsgemeinschaft Parteireform“ präsentierte Vorschläge für eine mitgliederorientierte Politik. Doch die Parteireform, einschließlich des rundum erneuerten Parteilogos in Magenta, sowie die gleichzeitig vollzogene personelle Neuaufstellung erklären den derzeitigen Höhenflug nicht allein. Die Gründe liegen eher außerhalb der Partei.

Über die AfD, an welche die FDP bei der Bundestagswahl 2013 fast zwei Millionen Stimmen verlor, machen täglich neue Berichte über Intrigen, Rücktritte und Spaltung die Runde. Hatte Lucke seine Partei noch im September 2013 zur „Erbin der FDP“ ausgerufen, droht sein Projekt an anhaltenden Flügelkämpfen und mangelnder Integrationsfähigkeit zu scheitern (siehe Seite 5).

Die Krise der AfD kommt für die Freien Demokraten zur rechten Zeit. Schon vor dem Parteitag hatte Lindner kaum verhohlene Angebote an die AfD-Wähler gemacht, als er einen „zumindest befristeten“ Austritt Griechenlands aus der Eurozone nicht mehr ausschloß. „Wenn die griechische Regierung ihre Reformzusagen verweigert, verabschiedet sie sich aus dem Euro“, schmetterte er auf dem Parteitag den Delegierten entgegen. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hatte Lindner zuvor mit dem Gedanken gespielt, daß ein „chronisch unsolides Mitglied“ die Eurozone verlassen müsse. Euro-Kritiker Frank Schäffler, der unter Lindners Vorgänger Philipp Rösler an den Rand gedrängt wurde und auch von Lindner bisher wenig Liebe erfuhr, zeigte sich „sehr froh“ über dessen Kurswechsel, laute sein Credo doch seit Jahren, daß Haftung und Risiko zusammengeführt werden müßten.

Trotz der jüngsten Wahlerfolge hat die FDP noch einen weiten Weg vor sich. Ein wichtiges Thema auf dem Bundesparteitag war die Konsolidierung der Finanzen. Nach der Bundestagswahl 2013 mußte die Partei finanzielle Einbußen in Millionenhöhe hinnehmen. Verglichen mit 2009 brachen die Einnahmen um 20 Prozent ein. Auch beim Spendenaufkommen und den Mitgliedsbeiträgen müsse die Partei mit erheblichen Verlusten rechnen. Lindner beschwichtigt. Die Finanzen seien konsolidiert, die Einnahmen überstiegen die Ausgaben.

Doch Anfang April schickte er einen Brief an die Mitglieder zur finanziellen Lage der Partei. Darin hieß es, die Partei befinde sich in „schwerem Fahrwasser“ und benötige zur Finanzierung der Wahlkämpfe weitere Unterstützung. Lindner schlug eine befristete Mitgliederumlage von dreimal 25 Euro vor. Bei 56.000 Mitgliedern entspräche dies Einnahmen von rund 4,2 Millionen Euro. Die Partei winkte Lindners Vorschlag wie erwartet durch. Auch in der Drogenpolitik machte die FDP einen Schwenk: 62 Prozent stimmten für die Legalisierung von Cannabis unter strikten Auflagen.

Lindners Akzeptanz in der Partei ist ungebrochen hoch. Mit 92,41 Prozent wurde er im Amt bestätigt. Ob die FDP langfristig auf die Erfolgsspur zurückkehrt, ist dennoch ungewiß. Der entscheidende Prüfstein für ein Comeback wird die Bundestagswahl 2017 sein. Seit vergangener Woche ist die Partei endgültig nicht mehr im Bundestag vertreten. Die Amtszeit des Wehrbeauftragten des Bundestages, Hellmut Königshaus, endete. Mit ihm hat auch die Nachhut der FDP das Parlament verlassen.