© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/15 / 15. Mai 2015

Ein Kopp, ein Arsch
Fritz J. Raddatz und sein literarisches Vermächtnis
Ansgar Lange

Der Literaturkritiker Fritz J. Raddatz – vor kurzem per Suizid in der Schweiz aus dem Leben geschieden – hat ein schönes und zartes Abschiedsgeschenk hinterlassen. In seinem letzten Buch läßt er die Jahre als stellvertretender Leiter des Rowohlt Verlages (1960–1969) Revue passieren. Dort brachte der politisch links stehende Raddatz im Jahr 1963 beispielsweise Rolf Hochhuths umstrittenes Stück „Der Stellvertreter“ heraus. 1951 hatte der Verlag noch mit einem Buch ganz anderen Zuschnitts für Furore gesorgt, nämlich mit Ernst von Salomons Autobiographie „Der Fragebogen“, einer Art rechten Aufarbeitung der NS-Zeit.

Doch um politische Fragen geht es hier eher am Rande. Willi Winkler hat den Inhalt der „Jahre mit Ledig“ auf den Punkt gebracht: „Es wird getrunken, gehurt und gelesen.“ Das schmale Büchlein ist aber in erster Linie eine literarische Liebeserklärung an den „sensiblen Elefanten“ Heinrich Maria Ledig-Rowohlt (1908–1992). Raddatz beschreibt die Jahre mit Ledig als „das phantastischste, phantasievollste Chaos meines Lebens“. Mit dem unkonventionellen Verleger verband ihn „eine fremdschöne, unheimlich-rätselvolle Liebesbeziehung, lasterlos, aber voller Hingabe an die Literatur“.

Ledig erscheint hier nicht nur als trinkfester Exzentriker, der sich genauso für Linseneintopf aus der Dose wie für regelmäßige Bordellbesuche erwärmen konnte, sondern auch als ein harter Arbeiter mit einem ernsthaften Interesse an seinen Autoren. Nun ja, es gab auch hier Einschränkungen. Heinrich Böll wollte er nicht im Verlag haben, und Walter Jens wurde mit den Worten „Schaffen Sie mir diesen spießigen Besserwisser vom Hals“ aus dem Rowohlt-Verlag geworfen. Wer wollte dies Ledig verdenken.

Obwohl Raddatz und sein Verlegerchef bis zum Bruch 1969 eng verbunden waren, blieben beide beim „Sie“. Der „sensible Elefant“ ließ letztlich niemanden so ganz an sich heran. Raddatz erzählt die „Geschichte zweier Männer, die einmal fast einer gewesen waren, unauflöslich einander verbunden, in gegenseitiger Verletzung und in peinigendem Schmerz sich trennend, und die nie die Liebe vergessen konnten, die sie einst innig werden ließ“. Man legt dieses sensibel geschriebene Doppelporträt und literarische Vermächtnis Raddatz’ dankbar aus der Hand.

Fritz J. Raddatz: Jahre mit Ledig. Eine Erinnerung. Rowohlt Verlag, Reinbek 2015, gebunden, 159 Seiten, 16,95 Euro