© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/15 / 15. Mai 2015

Heinos Schlüsselband
Merchandising: Fanartikel sind für immer mehr Firmen und Künstler inzwischen genauso wichtig wie Hauptprodukte und Kernmarken
Markus Brandstetter

Der im April ausgerufene Aufstand gegen die Preiserhöhungspolitik des Walt-Disney-Filmverleihs scheiterte vorerst kläglich: Trotz Boykotts durch zahlreiche deutsche Kinos entpuppte sich „Avengers 2: Age of Ultron“ als Blockbuster – allein in Deutschland erreichte der US-Film ein Millionenpublikum.

Ein Fünftel des Umsatzes der FC Bayern München AG

Die Rächer sind eine Truppe von sechs Comic-Helden, die in einer wirren Handlung jenseits aller Glaubwürdigkeit das archetypisch Böse, das wie stets die Welt bedroht, vernichten müssen, um in sattsam bekannter Manier uns alle zu retten. Alles an diesem Film kann man vergessen: die erbärmlichen schauspielerischen Leistungen, die tausendmal gesehene Handlung, die im Computer erschaffene Zerstörungs-Pornographie und das immer gleiche musikalische Gewabere, das wie Zuckercouleur darübergegossen wird.

Nicht vergessen kann man jedoch die Einkünfte, die dieser Film dem Disney-Konzern bringt. In den ersten drei Wochen wurden weltweit 650 Millionen US-Dollar eingespielt. Das ist aber erst der Anfang: Der Vorgängerfilm „Marvel’s The Avengers“ aus dem Jahr 2012 hat weltweit 1,5 Milliarden US-Dollar eingespielt. Der jetzt erschienene Bericht über das zweite Quartal des Fiskaljahres 2015 von Disney zeigt nun aber, daß selbst bei Erfolgsfilmen wie „Avengers“ die Einspielergebnisse aus dem Kartenverkauf zweitrangig sind – das Wichtigste ist inzwischen der Verkauf von Fanartikeln, die an den Filmen und ihren Comic-Helden dranhängen: Kaffeetassen, T-Shirts, Plastikfiguren, Kinderrucksäcke oder Poster, die die Filmfiguren ins traute Heim bringen.

Dieses Merchandising ist für Disney lukrativ – und für die Fans erstaunlich teuer: Eine Tasse mit dem grünen Hulk-Monster kostet elf Euro, das Logo-Shirt 20 Euro und der Captain-America-Kapuzenpullover schlägt mit 60 Euro zu Buche. Die wunderbare Vermehrung der Disney-Einkünfte zementiert einen seit Jahren andauernden Trend: Immer mehr Unternehmen verdienen mit einem Kranz von Nebenprodukten, die sich um ein Kernprodukt bzw. eine Kernmarke gruppiert, oft mehr als mit dem Ursprungsprodukt selber.

Ein deutsches Beispiel stellen die Fußball-Fanartikel dar. Bei der FC Bayern München AG machen die Einkünfte aus dem Merchandise-Geschäft inzwischen ein Fünftel des Gesamtumsatzes aus – was sich im Wirtschaftsjahr 2013/14 auf fast 100 Millionen Euro belief. Auch bei BMW, Audi und Mercedes, dem Kamerahersteller Nikon und der Reederei, die die Aida-Schiffe auf die Weltmeere schickt, hat man Fanartikel als lukrative Zusatzgeschäfte entdeckt.

Die Rolling Stones sind seit mehr als einem halben Jahrhundert im Geschäft – doch in der zweiten Hälfte ihres Schaffens veröffentlichten sie nur drei neue Studioplatten. Mick Jagger & Co. lebten von Welttourneen, den alten Hits – und auch ihren Markenartikel wie dem „Rolling Stones 14 On Fire Leather Jacket“ für 625 Dollar oder der eher preiswerten „Gorilla Logo Ski Vest“ für 100 Dollar.

Auch Deutschrocker Udo Lindenberg verkauft heute, seit mit neuen CDs nicht mehr viel geht, immer mehr T-Shirts, Schlüsselanhänger und Kaffeetassen – 99 Artikel hat er auf seiner Webseite im Angebot. Selbst der Volksmusikstar und Neu-Rocker Heino geht mit der Zeit: Seine Kapuzenpullover „Hoodie Heino Man“ und „Hoodie Heino Woman“ sind mit 44,90 Euro immerhin preiswerter als das „Avengers“-Pendant. Und Heinos Schlüsselband ist sogar für lediglich 7,90 Euro im Angebot.

Zweiter Disney-Quartalsbericht für 2015 thewaltdisneycompany.com/