© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/15 / 15. Mai 2015

Abstimmung in einem Klima der Einschüchterung
Irland: In einem Referendum entscheiden die Wähler über die Öffnung der Ehe für Homosexuelle / Befürworter ziehen alle Register
Daniel Körtel

In Irland gelten Referenden oftmals als historische Wegmarken gesellschaftspolitischer Veränderungen, die sich hier zeitverzögert zur übrigen europäischen Entwicklung vollzogen. So wurde erst 1995 das Recht auf Ehescheidung mit sehr knapper Mehrheit vom Wahlvolk angenommen. 20 Jahre später haben die Iren am 22. Mai wieder die Möglichkeit, in einem Referendum eine wesentliche Entscheidung über die Institution der Ehe zu treffen. Abgestimmt wird über den von der irischen Regierung vorgelegten Verfassungszusatz, wonach die Ehe künftig auch gleichgeschlechtlichen Paaren offenstehen soll.

Die Unterstützung für die Vorlage könnte kaum breiter ausfallen: Gemeinsam mit Yes Equality, einem Zusammenschluß von Homosexuellenverbänden und Bürgerrechtsgruppen, werben alle parlamentarischen Parteien für eine Annahme der Vorlage, die von den Medien wohlwollend begleitet wird. Ihnen geht es um die Ausdehnung des Gleichheitsideals auch auf gleichgeschlechtliche Paare, die bisher unter dem Statut der Civil Partnership eine gesetzliche Verbindung eingehen konnten, allerdings ohne alle die mit der traditionellen Ehe verbundenen Rechte zu genießen.

Die Befürworter appellieren besonders an den irischen Sinn für Fairneß und die persönliche Betroffenheit, um das „Yes“ der Iren zu gewinnen: „Stell dir vor, es wäre dein Kind“ ist eine dieser emotionalen Botschaften, die vor allem bei Frauen und Müttern verfängt.

Fast wie David gegen Goliath stehen dieser scheinbar überwältigenden Front diejenigen gegenüber, die für eine Beibehaltung der bisherigen Regelung stehen, die die Ehe ausschließlich als eine Verbindung von Mann und Frau definiert.

Zu ihnen gehört kaum überraschend die katholische Kirche, die aber ihre dominierende Rolle in dem einstmals erzkatholischen Land verloren hat.

Die katholische Identität der irischen Nation ist heute nur noch ein kulturelles Label, das sich nicht mehr mit einem religiösen Bekenntnis verbindet. Unter den Bedingungen einer säkularisierten Gesellschaft ist die Kirche nun gezwungen, als ein gesellschaftlicher Akteur unter anderen für ihre Positionen und Werte einzutreten. So erklärte Primas Eamon Martin in einer Stellungnahme, daß die Argumente für den Verfassungszusatz auf einem Mißverständnis von Gleichheit basierten, und hob hervor, daß „die komplementäre sexuelle Verbindung einer Frau und eines Mannes diejenige ist, welche aus ihrer eigenen Natur heraus offen für Leben ist“.

Daran anknüpfend begründet als bedeutendste Organisation nach der katholischen Kirche die Initiative „Mothers and Fathers Matter“ ihre Kampagne für ein „No“. So warnt sie vor einer Neudefinition des Familienbegriffs mit weitreichenden ethischen Konsequenzen für das Kindeswohl. Die gleichgeschlechtliche Ehe bedeute auch das Recht der Homosexuellen auf Elternschaft durch die Methoden der modernen Reproduktionsmedizin wie Leihmutterschaft, Samen-spende und Embryonenadoption, mit unabsehbaren Folgen für die ungeklärte Identität der so „gezeugten“ Kinder, bei denen biologische und soziale Abstammung auseinanderfallen.

Die Gegner der Verfassungsänderung beklagen einen starken Druck, der vor allem von den sozialen Netzwerken ausgehe. Ein Dubliner Hotelier ging in einem Facebook-Eintrag sogar so weit, einen Preisrabatt von 50 Prozent anzubieten, wenn man beim Einchecken ein mutwillig abgehängtes No-Plakat vorlegt.

In diesem Klima der Einschüchterung will sich kaum ein Wähler „Homophobie“ nachsagen lassen. Eine No-Aktivistin sagte, sie kenne viele No-Wähler, die öffentlich behaupten, sie würden mit „Yes“ stimmen, „einfach nur, um in einem Stück durch den Tag zu kommen“. Dementsprechend muß man den klaren Vorsprung in den Meinungsumfragen von 74 Prozent für die Yes-Seite unter Vorbehalt stellen.