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GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Bildungsbericht in loser Folge LXXIV: „Gerade um des Neuen und Revolutionären in jedem Kinde muß die Erziehung konservativ sein.“ (Hannah Arendt)

Der Antirassismus sorgt auch dafür, daß der Begriff „Rasse“ seine ursprüngliche Unschärfe zurückerhält. Wenn jetzt sogar das Vorgehen von Schwarzafrikanern gegen Schwarzafrikaner als „rassistisch“ bezeichnet werden kann, ist man jenseits aller biologischen oder sozialen Kategorien wieder dabei angelangt, daß das Wort für „Herkunft“ steht.

Die Bedeutung, die dem digitalen Geschwätz beigemessen wird, könnte man mit Carl Schmitt als Indiz für eine neue Art Romantik betrachten: „unendliches Gespräch“ als Selbstzweck.

Auf die Frage, warum ich bei meinen Reisen nie andere Kontinente berührte, weder Asien noch Afrika, noch Amerika oder Australien, die Antwort: Es steht dahinter das Bedürfnis, das Wunder Europa wahrzunehmen, solange das noch möglich ist, bevor die letzte Landschaft zugepflastert, das letzte Relief der Luftverschmutzung zum Opfer gefallen und die Bevölkerung unserer Städte nicht mehr wiederzuerkennen sein wird.

„Wovon sonst geht überhaupt alles aus, was echtes Leben hat, als von der moralischen Energie, die ihres Selbst gewiß, entweder die Welt in freier Tätigkeit zu durchdringen trachtet, oder den feindlichen Kräften wenigstens einen unüberwindlichen Widerstand entgegenstellt.“ (Leopold von Ranke)

Es gibt offenbar einen prinzipiellen Unterschied in bezug auf die Art und Weise, in der die Masseneinwanderung hierzulande und bei unseren europäischen Nachbarn diskutiert wird. Während des Wahlkampfs in Großbritannien hat sich gezeigt, daß man dort – gemäß angelsächsischer Tradition – das Problem in erster Linie als ein praktisches betrachtet, das heißt, man fragt, wie der Zuzug und eine geänderte Quotenregelung für die Aufnahme von Flüchtlingen verhindert werden können. Demgegenüber geht es in Frankreich um prinzipielle Fragen, und der politische Publizist Eric Zemmour kann nicht nur Jean Raspails prophetisches Buch „Das Heerlager der Heiligen“ in seiner RTL-Radiosendung zitieren, sondern auch anmerken, daß es im Grunde für das Desaster nur einen Verantwortlichen gibt: die Menschenrechte. Die „neue Religion“ verehre einen „rächenden Gott“, der unerbittlich das Unmögliche verlange, was seine Verehrer zu Taten veranlasse, die in letzter Konsequenz alles andere als human seien, zum einen weil sie Massen in Bewegung setzten, die unter Berufung auf ihren Anspruch den kleinen alten Kontinent zu erreichen suchten, was ihnen oft genug nicht gelinge, oft aber doch, was dort eine Lage schaffen werde, die letztlich unbeherrschbar sei: „Es ist nicht Frankreich oder Deutschland oder Europa oder das Mittelmeer, das tötet. Es sind die Menschenrechte, die töten.“

„Manch kriminelle Karriere fängt schon mit zwölf oder dreizehn Jahren an. Noch bevor die Täter volljährig sind, haben sie dreißig, vierzig oder mehr Straftaten begangen. ‘Intensivtäter’ heißt das in der Justiz. Diese jungen Leute haben fast immer fremd klingende Namen, sie heißen Mohammed, Faruk oder Mehmet.“ Das wirkt schon weniger forsch, wenn man sieht, daß der Autor Mehmet Ata heißt. Es reduziert allerdings nicht den Ärger über das, was dann als Erklärung herhalten muß: Die Jungen haben keinen Respekt vor den Alten, liest man da, weil die von den Autochthonen geringschätzig behandelt werden. Deshalb lehnten sich die Jungen auf, und das finde seinen Niederschlag in Straftaten. Allerdings, möchte man erwidern, sind deren Opfer nicht die Alten, sondern die Autochthonen, die vorgeblich Anerkennung und Arbeit verweigern. Aber es kommt noch schlimmer. Denn Atas Text in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schließt mit der Mahnung, auch die Achtundsechziger seien gegen die Eltern aufgestanden, die sie verachteten, und das habe bekanntermaßen zum Terror der RAF geführt, – man solle sich also nicht wundern bei dem, was folgen werde.

Der französische Journalist Eric Brunet hat im Vorfeld des 75. Jahrestags der französischen Niederlage gegen die deutsche Wehrmacht mit der Aussage irritiert, nach dem Waffenstillstand sei der erste Widerstand gegen die Besatzer von „ein paar rechtsextremen und antisemitischen Typen“ geleistet worden. Das Faktum, daß Nationalisten, Royalisten, Faschisten die Ur-Résistance trugen, ist an sich kaum neu, gehört nur nicht zum Kanon der offiziösen Darstellungen, so wenig wie die Tatsache, daß dieselben Republikfeinde 1940 treu ihren Waffendienst gegen den Landesfeind leisteten, während Kommunisten, gerade noch Flankenschutz der Volksfront, die Verteidigungsanstrengungen Frankreichs sabotierten, um Hitler als Verbündetem Stalins praktische Solidarität zu leisten.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 22. Mai in der JF-Ausgabe 22/15.