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McDonald’s muß sich neu erfinden
Schnellimbiß-Krise: 75 Jahre nach der Gründung stagnieren beim Branchenführer die Geschäftszahlen / Imagepflege und mehr Service sollen Kunden locken / Deutsche Alternativen?
Markus Brandstetter

Der Hamburger im Düsseldorfer Restaurant Richie ’n Rose ist ungefähr so hoch wie der der neue Duden, in etwa auch so massiv, dafür aber nicht ganz so gelb, sondern appetitlich braun und goldfarben. Richie ’n Rose ist ein Burger-Restaurant, das sich kühn auch als Health-Food-Restaurant bezeichnet, und wenn man sich die üppig mit Zwiebeln, Salat, Tomaten und frischen Kräutern zubereiteten Burger anschaut, dann glaubt man das sogar.

Die Düsseldorfer Health Burger, deren größter den vertrauenerweckenden Namen „The Beast“ trägt, sind seit einiger Zeit schon der Neid der Burger-Kette McDonald’s. Nun, vielleicht nicht unbedingt die Burger aus Düsseldorf, auf jeden Fall aber Burger, die frisch, hausgemacht und irgendwie sogar gesund aussehen. Der internationale Trend bei Fast Food geht nämlich zu gesundem Schnellessen. Und diese Entwicklung macht McDonald’s massiv zu schaffen.Und dabei ist der Marktführer eine der größten Erfolgsgeschichten in der Welt des Kapitalismus. Ursprünglich im Mai 1940 in San Bernardino (Kalifornien) gegründet, wurde McDonald’s ab 1948 als Schnellrestaurant bekannt, das weder Tische noch Stühle hatte, sondern nur aus einem runden Glaskiosk mit Burger-Grill, Ketchup-Flaschen und Zapfhähnen für Cola und Fanta bestand. Heute ist es eine weltumspannende Kette, die über 36.000 Filialen in 119 Ländern unter dem McDonald’s-Logo vereint.

Trotz Umsatzrückgang

die höchste Dividende

Jahrzehntelang ist es mit den goldenen Bögen, wie die Amerikaner die Burger-Braterei nennen, nur aufwärtsgegangen. Der Aktienkurs, der vor 20 Jahren noch unter 15 Dollar lag, notiert heute bei 97 Dollar. Der Aufstieg Chinas zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht und die damit einhergehende Verwestlichung des Landes haben den Amerikanern im Reich der Mitte ebenso wie in Indien, Mexiko und Indonesien Riesenmärkte beschert, die vor 20 Jahren noch undenkbar erschienen.

Doch inzwischen stockt die Expansion, dabei hatte es vor wenigen Jahren so ausgesehen, als gäbe es für McDonald’s kein Ende des Wachstums. Immerhin hat sich die Anzahl der ganz Armen auf der Welt, also derjenigen, die mit zwei US-Dollar am Tag auskommen müssen, in den letzten 25 Jahren halbiert – und genau diese Menschen stellen die ideale Klientel für ungesundes Fast Food dar.

Seit einem Jahr geht es mit dem Konzern plötzlich, unerwartet und weltweit abwärts. Im Jahr 2014 sind die Erfolgszahlen zum ersten Mal seit 2002 zurückgegangen: der Umsatz sank um 2,36 Prozent und das Vorsteuerergebnis um mehr als zehn Prozent, während sich die Konzernverschuldung um 20 Prozent erhöht hat und nun bei 63 Prozent vom Kapital liegt. Natürlich haut das diesen Riesen nicht um, das Ergebnis nach Steuern liegt bei 4,76 Milliarden Dollar, der Gewinn je Aktie bei 4,85 Dollar, und die Dividende im letzten Jahr war die höchste der Firmengeschichte. Der Markenwert wird auf 90 Milliarden Dollar taxiert – 36mal soviel wie Burger King.

Trotzdem haben offenbar nicht nur Analysten den Eindruck, daß die besten Zeiten hinter dem Konzern liegen, sondern auch der Aufsichtsrat, der im Januar 2015 einen neuen Vorstandsvorsitzenden (CEO) berief – den vierten in fünf Jahren. Was sind die Gründe? Hat sich die Welt geändert, hat sich McDonald’s geändert – oder was ist sonst los?

Einige der Probleme sind hausgemacht. In China gingen die Umsätze massiv zurück, nachdem im letzten Juli entdeckt worden war, daß in vielen Restaurants Hühner- und Rindfleisch verwendet worden war, dessen Haltbarkeitsdatum abgelaufen und zudem noch mit Mikroben kontaminiert war. In Japan wurden Plastikteile und sogar menschliche Zähne in den Burgern gefunden. In Rußland wurden mehrere Restaurants von den Behörden wegen unhygienischer Verhältnisse geschlossen, allerdings steht hier die Vermutung im Raum, daß dies als Vergeltung für die US-Sanktionen gegen Rußland erfolgte.

Aber egal, was die wirklichen Gründe waren – all das hat Ruf und Geschäft in großen Auslandsmärkten beschädigt, manche meinen nachhaltig. Aber auch zu Hause in den USA steht vieles nicht mehr zum besten. Das amerikanische Heimatland ist ja seit jeher der wichtigste Markt für McDonald’s, jener, der jederzeit stabile Umsätze und einen enormen Nettozufluß liquider Mittel bringt – der Felsen, auf dem die ganze Braterei steht. Aber genau da häufen sich seit einigen Jahren ebenfalls die Probleme.

Die Schwierigkeiten begannen mit Filmen wie „Super Size Me“ von Morgan Spurlock oder „Fast Food Nation“ von Eric Schlosser, in denen Verarbeitung von Fleisch und Zutaten kritisiert, die von Disney und General Motors abgeschauten Marketing-Strategien aufs Korn genommen und die Folgen (immer mehr Dicke auf der ganzen Welt) drastisch ausgemalt wurden. Seitdem ist in der McDonald’s-Welt nichts mehr wie es einst war. In den USA wurden neue Fast-Food-Ketten wie Shake Shack and Chipotle Mexican Grill gegründet, die in einem netteren Ambiente eine größere Auswahl und gesünderes Fast Food anbieten, das einem in manchen Restaurants sogar am Tisch serviert wird.

Hans im Glück setzt

auf Gourmet-Gerichte

Auch in Deutschland gehen die Geschäfte der Amerikaner nicht mehr so gut. Das erste McDonald’s-Restaurant in Deutschland wurde 1971 eröffnet. Von da an ging es für den Konzern trotz aller Kritik bis 2012 immer nur aufwärts. Seit zwei Jahren jedoch geht die Anzahl der Gäste zurück, das Image gilt als angestaubt, und die Renditen sinken. 2013, im letzten Jahr, für das offizielle Zahlen vorliegen, brachen die Gewinne in Deutschland zwar nicht massiv, aber doch um erkleckliche fünf Prozent ein.

Zwei Gründe gibt es: Immer mehr Deutsche halten Hamburger und Pommes frites schlicht für eine ungesunde Art der Ernährung. Ihnen fehlt bei McDonald’s gesundes Essen, eine größere Auswahl, Salate, Vollkornprodukte und bessere Ingredienzien. Der zweite Grund liegt in der neuen Konkurrenz. Plötzlich tauchen auch in Deutschland Fast-Food-Anbieter auf, die ein bißchen besseres Essen in einem sympathischeren Ambiente servieren.

Nehmen wir Hans im Glück. Das ist eine kleine Burger-Kette, die ihren Hauptsitz in München hat und gerade mal 33 Restaurants in Deutschland betreibt – aber das Konzept ist ein völlig anderes als bei McDonald’s: Inneneinrichtung und Ambiente wirken italienisch, es gibt jede Menge Salate und Rohkost, aus den Burgern quellen Rucola, Zwiebeln und Tomaten, und die Pommes frites wirken handgeschnitzt. Die Burger-Palette reicht vom Burger „Wurzelsepp“ mit Nußbratling, Heumilchkäse, Nüssen und Alfalfa-Sprossen bis zum Rindfleisch-Burger mit Parmaschinken, Ziegenkäse Feigensauce, Brie und Preiselbeeren. Hans im Glück ist teurer als McDonald’s, aber die Leute haben das Gefühl, nicht mehr Fast Food zu essen, sondern Gourmet-Gerichte – und genau das macht den Unterschied.

Es bleibt die Frage: Kann McDonald’s sich neu erfinden und an vergangene Erfolge wieder anknüpfen? Es wird schwer werden. Die Amerikaner wollen nun ihre Speisekarte überarbeiten, höherwertige Zutaten verarbeiten und in ausgewählten Restaurants das Essen an den Tisch bringen. Ob das genügt, muß aus heutiger Sicht als fraglich erscheinen. Bekannte US-Ketten wie Denny’s, Wendy’s, Jack in the Box, Panera Bread oder Taco Bell haben beispielsweise nie den Weg nach Deutschland gefunden.

Abschreiben sollte man McDonald’s jedoch keinesfalls. Der amerikanische Autohersteller General Motors (GM) war 77 Jahre in Folge der größte Kfz-Hersteller der Welt, mußte 2009 Insolvenz anmelden, hat sich mit massiver Staatshilfe wieder berappelt. Nach Toyota und VW ist GM mit den Marken Opel, Vauxhall, Buick, Chevrolet und Cadillac aber heute wieder der drittgrößte Kfz-Hersteller der Welt. McDonald’s hat mehr Geld und Bekanntheit als alle seine Konkurrenten zusammen und wird damit seinen Platz im Restaurant-Universum zäh verteidigen.

Foto: McDonald’s-Produkte: Die deutsche Konkurrenz bietet den eigenen Burger „Wurzelsepp“ mit Nußbratling, Heumilchkäse, Nüssen und Alfalfa-Sprossen