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Schöne neue Bezahlwelt
Zahlungssyteme: Mit kleinen Schritten wird in der EU an der Abschaffung des Bargelds gearbeitet
Felix Lehmann

Aldi leistete am längsten und am verbissendsten Widerstand, doch vor zehn Jahren streckten die Albrecht-Brüder ihre Waffen: Die letzte Filiale von Aldi Nord wurde mit einem Lesegerät für EC-Karten ausgestattet. Zuvor mußte beim deutschen Preisführer bar bezahlt werden, auch Sonderangebote wie Computer für 500 Euro und mehr. Seither verdient die Finanzdienstleistungsbranche auch an den Aldi-Milliardenumsätzen kräftig mit.

Bis zur Abschaffung des papiernen Eurocheque-Systems (EC) 2002 war das Kartenzahlen eher die Ausnahme als die Regel. Die mit noch mehr Transaktionskosten behafteten Kreditkarten werden weiterhin von den meisten Geschäften in Deutschland nicht akzepiert. Mit dem Durchbruch beim Internethandel hat das Plastikgeld das Bezahlverhalten jedoch endgültig revolutioniert. Auf der Jahrestagung der Initiative Deutsche Zahlungssysteme (IDZ) der Euro Kartensysteme GmbH referierten kürzlich zahlreiche Experten über mobile Bezahlungssysteme der Zukunft und die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft. Erklärtes Ziel des Gemeinschaftsunternehmens der deutschen Kreditwirtschaft, das das EC-Kartensystem betreibt, ist die Verlagerung sämtlicher Zahlungsströme in die digitale Welt.

Verdrängung des Bargeldes aus dem deutschen Alltag?

Die IDZ liegt mit ihren Zielen im Trend. Elektronische Bezahlverfahren erfreuen sich in Deutschland steigender Beliebtheit. Waren im Jahr 1996 noch 39,3 Millionen ausgegebene EC-Karten im Umlauf, so stieg die Zahl bis zum vergangenen Jahr schon auf knapp 103 Millionen. Einer Studie der Bundesbank zufolge besaßen im Jahr 2014 rund 97 Prozent der Kunden in Deutschland die offiziell Girocard genannte Nachfolgerin der EC-Karte.

Schon 60 Prozent aller Kunden zahlen nach eigenen Angaben mehr als die Hälfte ihrer Ausgaben im Geschäft mit Karte. Die Zahlen bestätigen die immer deutlichere Verdrängung des Bargeldes aus dem Alltag. Das wird auch durch Umfragen des vom Handel betriebenen EHI Retail Institutes belegt. Demnach finden 71 Prozent der befragten Nutzer Kartenzahlung praktisch. Nur 13 Prozent schrecken aus Sicherheitsbedenken vor der Nutzung zurück.

Doch im Gegensatz zur Nutzung von Plastikkarten haben sich das sogenannte mobile Bezahlen (Mobile Payment) und kontaktloses Bezahlen noch nicht durchsetzen können. Beim Mobile Payment kommunizieren die Zahlungsterminals der Händler per Nahfeldkommunikation (NFC) mit dem Handy des Kunden. Dieser muß die Zahlung nur noch per Fingerabdruck autorisieren, bevor sie vom Bankkonto abgebucht wird.

Viele Unternehmen bieten ihren Kunden bereits verschiedene Apps für die bargeldlose Bezahlung an. Noch hat sich das System in Deutschland nicht flächendeckend durchgesetzt, denn viele Händler haben ihre Terminals noch nicht auf den neuesten Stand gebracht. Doch fast alle Händler haben bereits angekündigt, ihre Zahlungsterminals aufrüsten zu wollen.

Ein weiterer Schritt in die bargeldlose Zukunft wurde 2005 in Deutschland mit der „Initiative Geldkarte“ getan. Mit Hilfe des quadratischem Metallkontakts auf der EC-Karte kann der Kunde Kleinstbeträge, etwa am Fahrkarten- oder Zigarettenautomaten, elektronisch bezahlen. Doch nach zehn Jahren bewegen sich die Geldkarten-Umätze mit nur 118 Millionen Euro (2014) im Promille-Bereich. Problematisch ist der Datenschutz, denn aus steuerlichen Gründen werden die vorgenommenen Bezahlvorgänge bei den Zahlungsmittlern, den sogenannten Evidenzzentralen, gleich für mehrere Jahre gespeichert.

Die technischen Neuerungen im Bereich der Bezahlverfahren folgen dem Trend, das Bargeld mehr und mehr zu marginalisieren. In der EU werden bereits erste Weichen gestellt, das Bargeld vollständig aus dem Zahlungsverkehr zu verbannen. Der französische Finanzminister Michel Sapin brachte im März einen Gesetzentwurf ein, dem zufolge Barzahlungen bereits ab September stark eingeschränkt werden sollen. Barzahlungen über 1.000 Euro sollen demnach verboten werden. Der Finanzminister begründet die Verschärfung mit der Bekämpfung des Terrors. Auch Italien und Spanien haben bereits Gesetze verabschiedet, welche die Nutzung von Bargeld weiter einschränken.

Wer sein Handy verliert, muß bald zu Fuß laufen

Vorreiter bei der Abschaffung des Bargelds ist Schweden. 2012 wurden in dem skandinavischen Nicht-Euroland nur noch 2,7 Prozent aller Umsätze in bar getätigt. Zum Vergleich: In der Eurozone waren es 9,8 Prozent. Schon 2013 verkündete eine der größten Banken Nordeuropas, die Swedbank, kein Bargeld mehr anzunehmen oder auszuzahlen. Wer in Schweden in den Bus steigt, der kann den Fahrschein nur noch per Mobiltelefon erwerben. Begründet wird dies mit gestiegenem Komfort für die Kunden. Zudem leiste die faktische Abschaffung des Bargeldes einen Beitrag zur Sicherheit, da sich die Zahl der Raubüberfälle und Diebstähle verringern werde. Wer sein Handy verliert oder vergessen hat, den Akku zu laden, muß dann zu Fuß laufen.

Doch tatsächlich profitieren neben Finanzbehörden und Geheimdiensten eher die Banken von der Entwicklung. Ein Verzicht auf Bargeld erhöht zwangsläufig die Einlagen der Geldinstitute und steigert deren Gewinn. Die Verdrängung des Bargelds unterstützt auch die Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Sollten die Strafzinsen eines Tages auch direkt auf die Bankkunden umgelegt werden, könnte nur das Halten von Bargeld unmittelbare finanzielle Auswirkungen auf den Endverbraucher vermeiden. Aber gerade dies wird in einer bargeldlosen Welt nicht mehr möglich sein.

Foto: Mobiles Bezahlen: In mehreren EU-Ländern ist die Nutzung von Bargeld schon gesetzlich eingeschränkt worden