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„Wir sind wachsam und wehrhaft“
Terrorismus: Nach der Festnahme zweier mutmaßlicher islamistischer Attentäter in Hessen wird über die Konsequenzen diskutiert
Elena Hickman

Nach der Festnahme von zwei mutmaßlichen islamistischen Terroristen in Hessen wird die Arbeit der Sicherheitsbehörden gelobt. Gleichzeitig ist die Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung wieder voll entbrannt.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach von einer „effektiven Arbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern“. Die Aktion zeige: „Wir sind wachsam und wir sind wehrhaft.“ Der Innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), schloß sich dem Lob an: „Der Vorgang zeigt, daß Deutschland weiterhin im Fokus des islamistischen Terrorismus steht.“ Die Sicherheitsbehörden bräuchten deshalb die notwendigen Instrumentarien und die nötige Ausstattung, um solche Straftaten unter Wahrung der rechtsstaatlichen Prinzipien aufzuklären. „Darum ist es so wichtig, daß die Vorratsdatenspeicherung kommt“, sagte Mayer. „Hätten wir sie schon jetzt, könnte vermutlich besser aufgeklärt werden, mit wem die Verdächtigen im konkreten Fall noch in Kontakt standen.“ Jetzt müsse schnell ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden.

Diesen Schluß wollte Grünen-Chef Cem Özdemir nicht ziehen. Der mögliche Anschlag in Hessen dürfe „nicht zum Anlaß genommen werden, die Vorratsdatenspeicherung wieder auf den Plan zu rufen“, sagte er der Frankfurter Rundschau. „Wie so oft hätte sie hier auch gar nicht genützt, da der entscheidende Hinweis von einer geistesgegenwärtigen Baumarkt-Mitarbeiterin kam. Anlaßlose Massenüberwachung ist und bleibt eine massive Verletzung der Bürgerrechte“, mahnte Özdemir.

Ein Spezialkommando hatte am Mittwoch vergangener Woche die Wohnung eines verdächtigen Ehepaars in Oberursel gestürmt. Bei der Festnahme des Deutsch-Türken Halil und der Türkin Senay D. konnten die Ermittler eine Rohrbombe, Zündstoff, wesentliche Teile eines Sturmgewehrs und scharfe Munition sicherstellen. „Nach alledem, was wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt, haben wir ein Anschlagsgeschehen verhindert“, sagte Westhessens Polizeipräsident Stefan Müller.

CDU-Abgeordneter

fordert Betätigungsverbot

Das Ehepaar mit Kontakten zur salafistischen Szene in Frankfurt am Main und zum Terrornetzwerk al-Qaida wurde schon seit Tagen von der Polizei überwacht. Ende März hatten beide in einem Frankfurter Baumarkt große Mengen an Wasserstoffperoxid gekauft. Die Substanz, normalerweise zum Bleichen oder Desinfizieren genutzt, ist in diesen Maßen meldepflichtig, da sie als Grundstoff für Sprengstoff verwendet werden kann. Eine Mitarbeiterin des Baumarkts hatte deshalb die Polizei alarmiert.

Salafisten gehören einer fundamentalistischen Strömung im Islam an. Ihr militanter Flügel propagiert den Dschihad („Heiliger Krieg“) und verübt immer wieder Terroranschläge. Insgesamt leben mehr als 7.000 Salafisten in Deutschland, die Mehrheit gehört zum politischen Flügel. Allerdings sind fast alle in Deutschland bisher identifizierten Terrornetzwerke salafistisch geprägt.

De Maizière sagte auf einer Tagung zum islamistischen Terrorismus am vergangenen Montag, in Deutschland gebe es ein terroristisches Personenpotential von etwa 1.000 Menschen. Davon seien 270 konkrete Gefährder, die sich vor allem aus der salafistischen Szene rekrutierten. Besonders die Salafisten gewinnen immer mehr Anhänger. Vor allem Jugendliche werden von den Islamisten angesprochen, etwa bei Verteilaktionen des Korans in Fußgängerzonen.

Der Integrationsbeauftragte der CDU im hessischen Landtag, Ismail Tipi, hat ein Betätigungsverbot für Salafisten gefordert. „Auch der letzte muß jetzt merken, daß eigentlich der Salafismus in Deutschland für unsere innere Sicherheit und für unsere Gesellschaft die größte Bedrohung und auch die größte Gefahr ist. Jetzt ist die Zeit, daß die Politik handeln muß“, forderte Tipi gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Er sei sich sicher, daß die Menschen in Deutschland nun verstanden hätten, worum es gehe und die Gefahr des Salafismus nicht mehr verharmlosten.

Die Polizei hatte den Verdächtigen dabei beobachtet, wie er ein Waldstück in der Nähe von Oberursel erkundete. Durch diese Gegend sollte am 1. Mai der Radsport-Klassiker „Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt“ führen. Weil die Ermittler noch im unklaren über mögliche Mittäter des Ehepaars waren und das Fahrradrennen jedes Jahr Millionen von Zuschauern anzieht, wurde es von der Polizei abgesagt.

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