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Gute Stimmung trotz verletzter Beamter
Linksextremismus: Während die Polizei eine positive Bilanz des 1. Mai zieht, beklagen Politiker und Gewerkschaften Übergriffe auf Sicherheitskräfte
Lion Edler

Gehören gewaltätige Ausschreitungen von Linksextremisten am 1. Mai der Vergangenheit an? Wenn man dem Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) Glauben schenkt, dann gibt es zumindest Indizien dafür. „Die Dominanz der Gewalt ist gebrochen“, zog Henkel Bilanz. „Zahlenmäßig ist es in diesem Jahr der friedlichste erste Mai gewesen, den es seit Beginn der Ausschreitungen 1987 gegeben hat.“

Tatsächlich zeigt die Berliner Statistik nach unten: 41 Beamte wurden in diesem Jahr leicht verletzt; 53 Randalierer wurden festgenommen – davon 23 wegen Landfriedensbruch, fünf wegen Körperverletzung und sieben wegen Widerstand gegen die Polizei.Ein erheblicher Teil der Ausschreitungen spielte sich diesmal in Hamburg ab. Dort wurden 34 Polizisten verletzt und 21 Personen vorläufig festgenommen. Bei zwei „revolutionären“ Erste-Mai-Demonstrationen flogen Flaschen, Feuerwerkskörper, Steine und Farbbeutel auf Polizisten, Einsatzwagen und Polizeigebäude. Doch auch auf der anderen Seite des politischen Extremismus wurden Straftaten verübt. Drei Personen wurden verletzt, als rund 40 Rechtsextremisten in Weimar eine Gewerkschaftskundgebung stürmten.

NPD-Jugend

stürmt Podium

Ein Sprecher der Stadtverwaltung teilte mit, die Angreifer hätten dem SPD-Bundestagsabgeordneten Carsten Schneider das Mikrofon entrissen und rechtsradikale Parolen gerufen. Nach Angaben des Thüringer Innenministeriums wird gegen 27 Tatverdächtige ermittelt. Wie die Polizei mitteilte, lassen sichergestellte Fahnen und Flugblätter auf eine Nähe zur NPD-Jugendorganisation schließen. „Das war wie ein Überfall in den dreißiger Jahren“, sagte Weimarers Oberbürgermeister Stefan Wolf (SPD).

Doch trotz der Ausschreitungen in Berlin und anderswo zog nicht nur Henkel eine positive Bilanz. „Wir danken den vielen Polizisten für ihren guten und besonnenen Einsatz, der zu einem ruhigen Tag der Arbeit maßgeblich beigetragen hat“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Ramona Pop. Der Pressesprecher der Berliner Polizei, Stefan Redlich, zeigte sich ebenfalls „sehr zufrieden“. Die Taktik der Polizei sei aufgegangen, sagte Redlich dem rbb-Inforadio. Natürlich habe es gewaltbereite Teilnehmer gegeben, „aber ihnen ist es nicht gelungen, andere zum Mitmachen anzustiften“.

Von Normalität kann bei dutzenden verletzten Polizisten allerdings auch keine Rede sein. Nicht alle Politiker und Polizeifunktionäre wollten sich daher in die Feierlaune einreihen. „Wir können erst zufrieden sein, wenn alle Demonstrationen am 1. Mai mit einer Handvoll Polizeibeamten in normaler Uniform begleitet werden könnten, statt mit tausenden Einsatzkräften in schwerer Sicherheitsausstattung“, sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow. Unangemessen findet Malchow „die teilweise Euphorie in den Bilanzen vieler Politiker nach den Ereignissen vor allem in Berlin und Hamburg“.

Ähnlich äußerte sich AfD-Sprecher Bernd Lucke. Daß bei Ausschreitungen in Hamburg 34 Polizisten verletzt wurden, sei „ein Skandal, der in den Medien nicht einmal mehr besondere Aufmerksamkeit erregt“. Die Polizisten würden „nicht ausreichend geschützt“, während die „Spitzen der Politik“ zu diesen „skandalösen Zuständen“ schwiegen. Die Politik müsse „endlich öffentlich vernehmbar den Polizisten Rückendeckung aussprechen und die Gewalttäter auch moralisch verurteilen.“

Der innenpolitische Sprecher der Hamburger CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Gladiator, sah ebenfalls keinen Anlaß zur Entwarnung. Gladiator sprach von einer „traurigen Tradition der Gewalt“ und forderte, „die Polizei angemessen auszustatten und ein Programm zur Bekämpfung des Linksextremismus zu erarbeiten“. Es sei ein Fehler gewesen, daß der rot-grüne Senat „den Linksextremismus im Koalitionsvertrag verschweigt und die Polizei mit der Kennzeichnungspflicht unter Generalverdacht stellt“.